Des Abends eisige Stille
Leids.
»Stellen Sie durch.«
Marilyn ließ sich nicht auf Smalltalk ein, sondern sagte ohne weitere Einleitung: »Ich möchte Sie nur wissen lassen, was ich vorhabe. Ich habe ein paar Leute zusammen … Ich habe sie gebeten, mit einer Suche nach David zu beginnen.«
»Aber …«
»Ich weiß, was Sie sagen wollen, doch ich habe das Gefühl, dass nicht genug getan worden ist.«
»Ich kann Ihnen versichern, dass das absolut nicht der Fall ist, und dabei spreche ich nicht in der Vergangenheitsform – alles
wird
getan und wird weiterhin getan werden.«
»Und doch sind Sie damit seinem Auffinden kein Stück näher gekommen. Ich glaube nicht, dass die Suchaktionen gründlich genug gewesen sein können. Ich bin nicht zufrieden, und ich werde nicht zufrieden sein, bis ich weiß, dass sie erneut durchgeführt wurden … Das wollte ich Ihnen nur sagen. Ich werde Teams zusammenstellen und …«
»Ihnen ist klar, dass Zivilpersonen kein Zugangsrecht haben, keine Befugnis, Privatgrundstücke zu betreten?«
»Gibt es irgendwas, das sie davon abhalten sollte, um Erlaubnis für eine Suche zu bitten und sie dann durchzuführen, sobald wir die Genehmigung haben? Ich glaube nicht.«
»Ich muss Sie warnen …«
»Bestimmt müssen Sie das. Aber ich werde trotzdem weitermachen. Ich kann es einfach nicht aushalten … dieses Nichts … Ich fühle mich machtlos und bin wütend.«
»Und ich verstehe diese Gefühle nur allzu gut, glauben Sie mir.«
»Dann lassen Sie mich weitermachen. Ich habe Sie aus Höflichkeit informiert, mehr nicht.«
»Können wir wenigstens darüber reden, bevor Sie …«
»Nein. Wir werden es durchziehen, bis wir umfallen – oder David finden. Ich muss ihn finden. Es gibt nichts Wichtigeres in meinem Leben, nichts, was ich sonst tun kann.«
Nathan steckte den Kopf durch die Tür. »Chef, haben Sie die Zeitungen gesehen?«
Simon stöhnte. »Bringen Sie sie rein.«
MUTTER VON VERMISSTEM JUNGEN GEZWUNGEN , EIGENE SUCHE ZU ORGANISIEREN . » DIE POLIZEI WAR ZU OBERFLÄCHLICH «, SAGT MRS . ANGUS . » ICH FINDE MEINEN JUNGEN SELBST «, SCHWÖRT DIE WÜTENDE MUTTER .
Serrailler war noch dabei, die giftspritzenden Artikel zu lesen, als der Diensthabende anrief und ihm mitteilte, DCS Chapman sei da. Simon warf die Zeitungen auf einen Stuhl und ging hinunter.
Jim Chapman war einer der erfahrensten Beamten im Polizeidienst, hatte noch fünf Jahre bis zur Pensionierung und stand im Ruf äußerster Gründlichkeit und verbissener Entschlossenheit. Er hatte zwei hochrangige und erfolgreiche Mordermittlungen in Yorkshire geleitet und war Träger der königlichen Polizeimedaille. Als Serrailler ihm sagte, er fühle sich geehrt, mit ihm arbeiten zu dürfen, meinte er das ernst. Chapman war ein großer Mann mit kurzgeschnittenem grauen Haar und schweren Augenlidern, ein Mann mit einem breiten Yorkshire-Akzent und erstaunlich sanftem Auftreten.
Als sich die Tür von Serraillers Büro hinter ihnen schloss, sagte er sofort: »Ich möchte Sie wissen lassen, dass ich auf Ihrer Seite stehe. Ich bin hier, um zu helfen, nicht um Ihre Stellung zu unterlaufen. Ich bin eine Ergänzung, keine Ablösung.«
»Danke, das weiß ich zu schätzen.«
»Und« – Chapman deutete auf die Zeitungen – »ich hab sie gelesen.«
»Ich habe für zehn Uhr eine Pressekonferenz einberufen.«
»Ihnen ist nichts anderes übriggeblieben. Das ist immer ein Problem. Die Mütter sind verstört, sie glauben stets, dass wir nicht genug unternehmen, und natürlich tun wir das nicht, kein Mensch auf der Welt tut genug für sie, bis der Junge gefunden wird. Der Vater hat Selbstmord begangen?«
»Ja. Ich glaube, das hat ihr den Rest gegeben – und ist es ein Wunder? Womit wollen Sie anfangen, Sir?«
»Nennen Sie mich Jim. Wie gesagt, ich bin auf Ihrer Seite. Ich möchte kurz mit dem Team sprechen, und dann sollten wir diese Pressekonferenz hinter uns bringen. Ich gehe mit, aber ich werde nichts sagen. Das ist Ihr Fall. Nachdem wir diese Schmeißfliegen los sind, machen wir uns an die Arbeit. Ich habe die meisten Akten gestern Abend und auf dem Weg hierher gelesen. Machen Sie mich mit dem Rest vertraut.«
Simon kam der Aufforderung nach, stellte ihm das Team einen nach dem anderen vor, beschrieb Werdegang, Persönlichkeit, besondere Stärken. Der DCS hörte zu, sagte nichts, machte sich keine Notizen.
»Keine Schwachstellen?«
»Nein. Wir sind ein gutes Team, wie man es besser kaum finden kann … Im Moment sind sie
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