Des Abends eisige Stille
her, während sie durch die Gärten gingen, wie ein Kind, das zum Spielen hinausgelassen worden ist, voller Aufregung und Begeisterung für dieses neue Spielzeug, das Landgut Seaton Vaux. Es war vernachlässigt, seit Jahren waren weder Geld noch Liebe darauf verwendet worden, und alles machte einen überwucherten und trostlosen Eindruck. Aber es war grandios. Das elisabethanische Herrenhaus aus rosenroten Ziegeln und mit Schornsteinen im Zuckerbäckerstil, der Garten mit der abgesenkten Terrasse im italienischen Stil, dem ummauerten Obstgarten und dem weiten Areal wildwachsenden Grases. Hinter einem Umfassungsgraben lag der Hirschpark, die Bäume überwachsen und nach allen Seiten ausgeschlagen; dahinter schirmte ein weiterer Wall das kleine, zum Gut gehörende Dorf ab, durch das Karin gefahren war.
Lucia Philips trug Designerjeans, eine schlichte Tweedjacke, eine hellrosa Bluse und dazu lächerlich hohe Riemchenschuhe in passendem Rosa. Ihr Haar war zurückgebunden gewesen, aber als Karin und sie nach draußen gekommen waren, hatte sie das Band herausgezogen und die Locken über ihre Schultern fallen lassen.
Zuvor, beim Kaffee, hatte sie Karin ihre Hochzeitsfotos gezeigt. »Wir haben in der Schweiz geheiratet … in einem wunderschönen Dorf, das wir übernommen haben. Die Kirche hatte so niedliche kleine Glocken, wissen Sie? Als wir herauskamen, waren wir verheiratet und sind hinunter zum See gegangen … Es war Spätnachmittag, die Sonne ging unter. Sie war golden. Wir hatten siebenhundert Gäste einfliegen lassen, aber es war wirklich alles ganz schlicht.«
Karin hatte ihr einen Blick zugeworfen, doch in Lucias Stimme hatte keine Andeutung von Ironie gelegen. Schlicht war das, was sie gemeint hatte und wie es ihr erschienen war.
»Ihr Kleid ist so schön … All diese winzigen Kristalle. Wo hatten Sie es her?«
»Oh, von Valentino.«
»Ah ja.«
»Wir sind durch die Schweiz nach Venedig gefahren, dann weiter nach Süditalien, bevor wir zurück nach New York geflogen sind und dort auch noch einen nachträglichen Hochzeitsempfang gegeben haben. Die Blumen – oh, Sie hätten sie sehen sollen, Ihnen hätten die Blumen so gefallen –, der ganze Raum war voll davon, schlichte Blumen, wissen Sie? Nichts Protziges, keine von diesen schrecklich steifen Designerblumen.«
»Das klingt wunderbar.«
»War es auch. Mein Gott, ich möchte das alles noch mal erleben. Cax noch mal heiraten.«
Sie hatten über Gartenrestaurierung gesprochen, Gartengeschichte, Gartenpläne … Bäume, Blumen, Mauern, Bögen, Statuen, Wasser, und es hatte sich herausgestellt, dass Lucia sowohl Kenntnisse als auch Wünsche hatte, sowohl ernsthaftes Interesse als auch das nötige Geld besaß.
»Ich finde es hinreißend, was Sie mir erzählen, wie Sie das alles sehen. Ich hätte so gerne, dass Sie das hier übernehmen, Karin.«
Sie setzten sich im letzten Sonnenschein auf eine niedrige Mauer.
»Hören Sie, ich bin keine erfahrene Gartenbauarchitektin, Lucia. Ich habe mich erst vor kurzem qualifiziert und noch niemals so etwas übernommen wie das hier. Sie sollten sich vielleicht Rat von namhafteren Leuten holen.«
Lucia griff nach Karins Hand und sah ihr mit ernstem Blick in die Augen. Sie ist, dachte Karin, zu schön, um wahr zu sein.
»Karin, ich möchte keine ›namhaften Leute‹ … puh. Ich möchte jemanden, den ich mag und dem ich vertrauen kann und der diesen wunderschönen Ort lieben und pflegen könnte. Und das sind Sie. Das wusste ich sofort.«
»Es gibt keinen Zweifel, dass ich ihn lieben könnte. Wer würde das nicht?«
»Also … Sind wir uns einig?«
»Was ist mit Ihrem Mann?«
»Oh, Cax macht das, was ich will.«
Ja, dachte Karin, das hab ich mir gedacht.
»Ich habe einen guten Geschmack, wissen Sie, Karin … Er vertraut meinem Geschmack. Er weiß, was ich für das alles hier empfinde. Werden Sie annehmen?«
»Ich muss darüber nachdenken. Ich werde ein paar vorläufige Entwürfe machen … Kostenvoranschläge … einen Zeitplan ausarbeiten.«
»Natürlich, was immer Sie wollen.«
»Bei Entwurf und Planung noch nicht – das würde ich selbst übernehmen –, aber danach werde ich schon recht bald praktische Hilfe brauchen … Mir ging es vor einem Jahr nicht sehr gut, und ich muss mich ein wenig in Acht nehmen.«
»Oh, das tut mir leid … Was war mit Ihnen?«
Karin zögerte. Eines der Dinge, die Mike seinen Worten nach gehasst hatte, war, nicht länger mit einer Ehefrau zusammenzuleben,
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