Des Abends eisige Stille
niedergeschlagen, aber noch immer stur bei der Sache.«
»Keiner ist krank geworden?«
»Nein.«
»Zeichen von Überanstrengung?«
»Nicht mehr, als man erwarten würde.«
»Aye, diese Art von Ermittlung fordert ihren Tribut. Lieber stünden sie im Kugelhagel. Wie wir alle.«
»Möchten Sie mit Mrs. Angus sprechen?«
»Vielleicht. Im Moment nicht. Wo ist Ihre Kantine?«
»Ich kann Ihnen etwas bringen lassen, wir haben …«
Doch der DCS war schon aufgesprungen.
»Ich möchte keine Spezialbehandlung«, sagte er im Hinausgehen. »Unten oder oben?«
»Unten.« Serrailler folgte ihm rasch durch den Flur.
Die Pressekonferenz war eine unerfreuliche Angelegenheit. Marilyn Angus’ Fernsehinterview hatte sie alle umgedreht. Selbst die Lokalreporter, die sonst immer eine Unterstützung waren, stellten aggressive Fragen, wetteiferten mit den großen Jungs vom Fernsehen und der nationalen Presse in ihrer Feindseligkeit. Sie verlangten Taten, sie verlangten Antworten, sie drängten auf Einzelheiten.
Serrailler war ihnen bei jeder Frage gewachsen. Er war schon immer ein Kämpfer gewesen, behielt eine kühle, mitfühlende, jedoch nicht defensive Haltung bei. Es gab viel Gegrummel und Gemurmel unter den Versammelten, aber sie verschwanden besänftigt genug.
»Guten Morgen. Ich bin Jim Chapman. Okay, Sie haben heute Morgen in der Presse und durch das gestrige Fernsehinterview eine heftige Abreibung bekommen. Ich möchte Sie wissen lassen, dass wir in dieser Sache zusammenstehen. Ich bin nicht hier, um Sie ins Stolpern zu bringen, Sie in Stücke zu reißen oder Ihnen das Leben schwerzumachen. Ich bin hier, um mir den Fall David Angus ganz von vorne vorzunehmen. Ich bezweifle nicht, dass Sie äußerst hart daran gearbeitet haben – niemand war nachlässig, alle haben hundertzehn Prozent gegeben.
Ich werde mir alles anschauen, überall hingehen, die Akten, die Spurensicherung, den Hintergrund, die Daten studieren – und ich will mit jedem Einzelnen von Ihnen reden. Aber es gibt hier nichts Privates oder Geheimes, ich mache das nicht hinter dem Rücken Ihres Ermittlungsleiters.
Gut. Ich will bei null anfangen, Zentimeter um Zentimeter und Minute um Minute. Ich möchte, dass Sie mir alles berichten, was Sie wissen. Ich möchte Ihre Gedanken erfahren und Ihre Verdächtigungen – alles. Nichts, was Sie sagen, wird belächelt oder abgetan werden. Überhaupt nichts wird abgetan werden.
Heute Morgen möchte ich einen Eindruck davon bekommen, wie jeder von Ihnen in diesem Ermittlungsteam den Fall sieht. Erzählen Sie mir von Ihren Vorstellungen zu dem Szenario. Nathan, nicht wahr? Gut, Junge, fangen Sie an.«
Im Raum wurde es still.
Nathan fuhr sich durch die Haare und schaute vor sich auf den Tisch. Dann sagte er: »Also, als Erstes, wir suchen nach einer Leiche. Der Junge ist tot. Muss tot sein.«
Er wartete, doch Chapman schwieg.
»Ich stelle mir immer noch Fragen wegen der Familie, um ehrlich zu sein. Weswegen hat der Vater sich umgebracht? Lag es nur daran, dass er es nicht ertragen konnte, noch länger ohne den Jungen zu sein? Ich weiß, dass er für den Zeitpunkt, zu dem der Junge verschwunden ist, ein hieb- und stichfestes Alibi hat, aber Eltern sind oft die Mörder, und ich frage mich halt, ob wir irgendwas in der Familiensituation übersehen haben. Wüsste allerdings nicht, was.«
»Wär’s das?«
»Ja, wenigstens für den Augenblick … Sie wollten eine Ansicht.«
»Danke. Gut. Teilt sonst noch jemand Nathans Einstellung dazu?«
DC Clare Linscom sagte rasch: »Ja, ich. Was den Vater angeht, weiß ich nicht so recht, aber die Mutter … Sie hat sich sehr seltsam verhalten, selbst wenn man bedenkt, was sie hat durchmachen müssen. Sie ist uns gegenüber feindselig eingestellt, sie hat uns behindert … Sie hat noch ein Kind, ihre Tochter Lucy, aber es ist, als existierte das Kind kaum. Ich frag mich, ob wir die ganze Familie nicht noch mal auseinandernehmen sollten. Mehr in der Nähe suchen sollten als weiter weg.«
Kate Marshall schüttelte den Kopf. »Entschuldige, Clare, aber nein, ich …«
»Sie sind die Verbindungsbeamtin?«
»War. Entschuldigung, Sir, ja. DC Marshall. Niemand in der Familie hat David etwas angetan. Marilyn war außer sich vor Kummer und Qual und Anspannung und Schuldgefühlen, und dann versucht ihr Mann, Selbstmord zu begehen, versagt, versucht es erneut, diesmal mit Erfolg. Ich glaube, sie hat momentan buchstäblich den Verstand verloren, und ich mache mir
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