Des Abends eisige Stille
Güte.«
Sie stellte ihm einen Becher Tee hin. »Pete sagt, du kannst bleiben, bis du was findest. Werden die von der Bewährungshilfe dir was besorgen?«
»Hör zu, wenn du willst, dass ich austrinke und gehe, dann sag das, Michelle.«
»Ist mir egal. Was wirst du denn den ganzen Tag machen?«
»Arbeiten.«
»Hast du doch noch nie.«
»Werd ich aber.«
»Was denn? Was kannst du denn?«
»Hab eine Ausbildung bekommen.«
Das Pommesfett spritzte gefährlich. Sie zog die Pfanne vom Gas. »Was, im Postsäckenähen?«
»Du hast keine Ahnung. Bist ja nicht gekommen, um es rauszufinden.«
»Ich hab dir geschrieben, oder? Hab dir Zeug geschickt, hab dir Fotos von den Kindern geschickt. Um da hinzukommen, musste man ja quer durchs halbe Land fahren, und Pete war nicht gerade scharf drauf.«
Pete Tait. Soldat, als Michelle ihn geheiratet hatte, war aber entlassen worden, nachdem er beim Geländetraining von einer Mauer gefallen war und sich den Rücken verletzt hatte. Jetzt saß er in einem Kabuff, starrte von zwei Uhr nachmittags bis Mitternacht auf den Überwachungsmonitor eines Einkaufszentrums. Das wusste Andy aus den kurzen, hingekritzelten Briefchen, die Michelle ihm ein halbes Dutzend Mal pro Jahr geschickt hatte.
»Die besorgen mir eine Unterkunft. Wohnung oder so.«
»Willst du Bohnen oder Tomaten?« Michelle öffnete eine Dose Corned Beef.
»Was du hast.«
Gebackene Bohnen. Corned Beef. Pommes frites. Tomaten. Gefängnisfraß. Er stand auf und goss sich noch einen Becher Tee ein. Die Frau mit dem Gepäck und den Kindern fiel ihm ein. Komisch. Man begegnete Menschen. Redete mit ihnen. Sie verschwanden. Man sah sie nie wieder. All diese Männer in all den Gefängnissen. Die sah man nie wieder.
»Schauen die Kinder fern?«
»Die sind im Bett. Es ist halb zehn. Ich gehör nicht zu denen, die sie die ganze Nacht aufbleiben lassen.«
Sie stellte ihm den Teller mit seinem Essen hin.
Also rasten die Autos ganz allein im Fernseher herum.
»Ich hab seit halb sieben nichts gegessen.«
»Willst du dann auch Brot und Butter?«
Andy nickte, den Mund voller Bohnen und Pommes frites.
Michelle setzte sich ihm gegenüber.
»Ich will nicht, dass meine Kinder wie die anderen hier werden, und ich will auch nicht, dass sie von dir irgendwelches Zeug hören.«
Zeug. Das Zeug lag Jahre zurück, in einem anderen Leben. Er dachte kaum mehr daran. Seit über fünf Jahren war er in keiner Hinsicht mehr dieser Neunzehnjährige gewesen.
»Werden sie nicht.«
»Bei den Sicherheitsdiensten werden immer irgendwelche Jobs frei. Pete könnt ein gutes Wort für dich einlegen, aber ich weiß nicht, was die für Fragen stellen.«
»Die stellen Fragen.«
»Irgendwas musst du machen.«
»Ich hab’s dir doch gesagt.«
»Was denn? Du bist immer noch nicht damit rausgerückt.«
Im Fernseher heulten Polizeisirenen.
»Stellst du den nie ab?«
»Wen?«
»Du weißt nicht mal, dass er an ist, oder?«
»Ich hab mich grad erst hingesetzt, verdammt, war den ganzen Tag auf den Füßen. Außerdem will Pete, dass er läuft, wenn er heimkommt.«
»Das ist doch erst in drei Stunden.«
»Halt die Klappe, wer zum Teufel glaubst du, dass du bist, mir vorzuschreiben, wie ich mein Haus zu führen hab, mein Leben zu leben hab, du kommst hier nach fünf Jahren Knast an und hast verdammtes Glück, dass Pete nicht gesagt hat, nein, tut mir leid, keine Chance, der kommt mir nicht ins Haus, aber das hat er nicht. Er hat gesagt, du könntest kommen.«
»Sehr nett von ihm.«
»Hör zu …«
»Gemüsegärtnerei.«
»Was?«
»Das hab ich gelernt. Die haben da eine große Gemüsegärtnerei, wir haben Läden beliefert, Hotels, Schulen. Ein riesiges Unternehmen.«
»Was, umgraben und so, Kartoffeln ausbuddeln? Klingt nach harter Arbeit. Das hast du doch noch nie gekonnt.«
»Aber jetzt kann ich es.«
»Die besorgen dir einen Job zum Umgraben?«
»Da hängt viel mehr dran als Umgraben.«
»Kannst du Hecken schneiden? Vorn ist eine, die geschnitten werden müsste, und wenn dir danach ist, hinten den Zement aufzuhacken, könnte ich ein paar Blumen pflanzen.«
»Ist mir nicht.«
»Haben sie dir Geld gegeben, als du rausgekommen bist?«
»Ich hab welches verdient. Die bewahren das für einen auf.«
»Also, wenn du so weiterisst wie jetzt …«
Andy griff hinter sich in seine Jacke. Er zog den Plastikgeldbeutel heraus, den man ihm an diesem Morgen mit dem verdienten Geld gegeben hatte, und warf ihn auf den Tisch.
»Nimm dir raus, was du
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