Des Abends eisige Stille
willst«, sagte er und sah Michelle an. »Ich kann ja nicht erwarten, dass meine Schwester mir was umsonst gibt.«
Über die lauten, sich heftig streitenden Männerstimmen im Fernseher hinweg begann ein Kind im darüberliegenden Zimmer zu rufen. Andy versuchte, sich an den Namen zu erinnern, oder auch nur, ob es sein Neffe oder seine Nichte war, aber es fiel ihm nicht ein.
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8
S imon hatte die Hälfte des steilen Pfades in die Schlucht hinab geschafft, als sich die dunklen Wolken, die sich über seinem Kopf gesammelt hatten, schlagartig zu öffnen schienen und sintflutartigen Regen freigaben. Er verfluchte sich dafür, trotz des schlechter werdenden Wetters weitergegangen zu sein statt zurück zu seinem Auto, und musste sich jetzt an den verkrüppelten Büschen neben dem Pfad festhalten, während das Wasser um ihn hinunterschoss und alles in seinem Weg hinab mitreißen wollte.
Simon war bereits total durchnässt, und seine Stiefel waren voller Wasser. Die Luft dampfte, der Wind wirbelte über ihm einen Minitornado auf. Der würde rasch vorüberziehen, aber bis dahin war es gefährlich, weiter in die Schlucht hinunterzusteigen, und fast unmöglich, sich wieder zum höhergelegenen Moor hinaufzukämpfen.
Schließlich hockte er sich hin, hielt sich am Wurzelwerk der zähen, kleinen Büsche fest und wartete, während die Welt um ihn in Chaos versank.
Einmal, vor etwa zwei Jahren, hatte er hier zusammen mit zwei Kollegen einen Mann verfolgt, nicht bei Regen, sondern in einem Schneesturm. Simon erinnerte sich noch an die Furcht, die er empfunden hatte, als sich der Verbrecher über den Rand warf und den steilen Abhang in die Schlucht hinunterrutschte. Der Mann war high von Crack und mit einem Küchenmesser bewaffnet, und das Auto, das er gestohlen hatte, lag auf dem Dach und brannte. Simon hatte die Verfolgung geleitet; es hatte in seiner Verantwortung gelegen, ob sie dem Mann in die Schlucht folgten.
Bei der Erinnerung überlief ihn ein Schauder. Und doch erregte ihn die Polizeiarbeit nach wie vor; immer noch war ihm die Jagd das Liebste, und an seiner Beförderung zum DCI hatte er nur bedauert, dass er bei solchen Einsätzen möglicherweise seltener mittendrin sein würde.
Und er hatte recht behalten. Jetzt verbrachte er mehr Zeit hinter dem Schreibtisch, als ihm lieb war. Aber hätte er die Beförderung ablehnen sollen? Welche Art von Karriere hätte er dann gemacht? Sich als DI bis zur Pensionierung durchgeschleppt, verspottet ob seines mangelnden Ehrgeizes?
Der Regen hatte seine Segeltuchtasche durchweicht. Simon verlagerte das Gewicht, wobei er fast das Gleichgewicht verloren hätte und hinabgerutscht wäre. Hinauf musste einfach besser sein als hinab.
Er hatte es etwa fünfzig Meter über das offene Moor geschafft, den Kopf gegen den peitschenden Regen gesenkt, als ein Motorrad neben ihm schlitternd aus dem Sturm auftauchte.
Simon konnte nicht verstehen, was der Fahrer ihm aus seinem Helmvisier zubrüllte, aber er verstand die Gesten des Mannes, stieg hinter ihm auf und zog die Beine gegen den aufspritzenden Schlamm hoch.
Zehn Minuten später waren sie auf dem vergleichsweise geschützten Parkplatz neben Simons schwarzem Audi angelangt. Der Motorradfahrer schob sein Visier erneut hoch und brüllte etwas über das Dröhnen des Motors hinweg, als Antwort auf Simons Dank. »Hauptsache, Ihnen ist nichts passiert.«
Er wendete unter dem Aufspritzen von Kies und Schlamm und raste den Weg hinunter. Simon folgte ihm durch den Sturm in Richtung des Bauernhauses der Deerborns in Misthorp. Bei äußerst seltenen Gelegenheiten scheute er die Stille und Leere seines eigenen Heims.
Auf dem Weg zu Cat piepste sein Handy mit einer SMS .
Ma hier. Will wg Martha reden. Kommst du zum Essen?
Simon hielt am Straßenrand an.
»Ich bin’s. Ich bin in Hassle. War sowieso auf dem Weg zu dir.«
»Du warst doch nicht etwa bei diesem Wetter im Moor?«
»War ich, und ich bin klatschnass. Muss mir was von Chris zum Anziehen borgen. Ich bin fast in die Schlucht gefallen.«
»Simon, willst du, dass bei mir die Wehen einsetzen?«
»Entschuldige, entschuldige … Hör zu, kannst du reden? Was ist mit Mutter?«
»Sie ist oben und liest Hannah vor. Kam direkt aus dem Krankenhaus hierher. Will mit uns allen reden … na ja, mit Chris und mir, und sie bat mich, dich anzurufen.«
»Dad?«
»Bin mir nicht sicher.«
»Was ist passiert?«
»Nichts. Ich glaube, das ist das Problem.«
»Alles in Ordnung?«
»Mit
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