Des Abends eisige Stille
von wo es keine Neuigkeiten über den vermissten Jungen gab. Auch von dem silbernen Jaguar fehlte bisher jede Spur.
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19
D DCI Simon Serrailler saß im Bauernhaus und zeichnete seine Schwester. Cat schlief auf dem Sofa. Ein Arm lag auf ihrem geschwollenen Bauch, der andere war ausgestreckt, um den Kater Mephisto zu streicheln.
Es war nach Mitternacht. Nach siebzehn Stunden ununterbrochener Arbeit hatte er es auf dem Revier nicht mehr ausgehalten. Er hatte den Trost des Deerbornschen Hauses gebraucht, mit den Kindern, die oben schliefen, seiner schwangeren Schwester und dem gemütlichen, einladenden Durcheinander des Familienlebens.
Er hatte etwas gegessen. Ein Glas Wein stand neben seinem Ellbogen. Er nahm einen anderen Bleistift, einen weichen 4B, um das dicke, rote Fell auf Mephistos Rücken zu schattieren. Cat bewegte sich leicht, wachte aber nicht auf.
Den Nachmittag hatte er am Telefon im Gespräch mit anderen Polizeidienststellen verbracht; kurz nach neun hatte die Polizei aus Cumbria mitgeteilt, dass ein dreizehnjähriger Junge nach einem Rugbyspiel seiner Schule nicht nach Hause gekommen war. Er hatte seinen üblichen Bus verpasst und war nicht mehr gesehen worden, seit er zur Hauptstraße gegangen war, um auf seinen Vater zu warten, der ihn abholen wollte. Als der Vater ankam, war der Junge, Tim Fenton, nicht da gewesen, daher hatte der Vater noch über eine halbe Stunde auf ihn gewartet. Sein Sohn war nicht aufgetaucht, war auch nicht in der Schule, auf dem Spielfeld, zu Hause oder bei einem seiner Freunde gewesen. Er war weder in der Stadt noch am Bahnhof oder an Bushaltestellen gesehen worden. Kein Taxifahrer hatte ihn mitgenommen.
Auf dem Revier hatten sich Aktivitäten und Besorgnis verstärkt. Das Dezernatsbüro war abwechselnd voller Beamter und dann wieder leer, wenn eingetroffenen Meldungen und Berichten nachgegangen wurde. Die uniformierte Polizei zerriss sich schier, setzte so viele ihrer Kräfte wie möglich auf den Angus-Fall an, während sie gleichzeitig alles andere unter Kontrolle zu halten versuchte. Zum Glück schien durch eine große Ermittlung auf den meisten anderen Gebieten Ruhe einzukehren … Anzeigen wegen Bagatelldiebstählen und Vandalismus, gestohlenen Fahrzeugen und eingeschlagenen Schaufensterscheiben waren zurückgegangen, in den Pubs und Clubs blieb es friedlich. Es war, als wisse Lafferton, dass die Polizei alle ihre Kräfte brauchte, um den vermissten Jungen zu finden, und hätte geschworen, keinen weiteren Ärger zu machen.
Aber mit jeder verstreichenden Stunde des langen Tages war sich Serrailler sicherer geworden, dass der Junge nicht lebend gefunden werden würde. Den ganzen Tag über hatten uniformierte Beamte und Einwohner den Hügel abgesucht, die Kanalufer, jedes Ödland, jeden Garagenblock, alle leerstehenden Fabrikgebäude, alle Gärten und Felder und Koppeln und Waldstücke. Die Erinnerung an die Morde vom vergangenen Jahr war allen gegenwärtig.
Manchmal, wenn er sich schnell vom Fenster abwandte, von einem Telefonat aufschaute, den Flur zum Dezernatsbüro entlangging, sah Simon Freya Graffhams Gesicht oder erhaschte einen Blick auf sie, wie sie durch die Schwingtüren kam, einen Pappbecher am Wasserkühler herauszog, lächelte.
Sein Bleistift zerbrach. Cat rührte sich nicht. Mephisto hatte den Kopf tief in sein Fell vergraben.
Simons Handy klingelte, weckte Cat auf.
»Serrailler.«
»Chef … ist mir gerade eingefallen. Ich wusste, da war was, hat mich die ganze Zeit verrückt gemacht.«
»Was?«
»Als wir bei Parker waren … Ich bin bloß nicht draufgekommen. Erst als ich Ems Zeitung sah, die auf dem Tisch lag … Gestern Abend hat das
Echo
David Angus’ Foto auf einer ganzen Seite abgedruckt.«
»Ja. Eine Reproduktion von unserem Plakat.«
»Er hatte es.«
»Genau wie viele andere.«
»Ja, schon, bloß als wir gingen und er vor der offenen Küchentür stand, er wollte uns loswerden … Ich hab reingeschaut … Er hat da noch so ein Terrarium, oben auf dem Kühlschrank, beleuchtet … Ich hab mich gefragt, was der denn sonst noch da drinnen in Terrarien hält. War so damit beschäftigt, dass ich die Zeitung gesehen haben muss, aber nicht richtig drauf geachtet hab … Das Bild hing an der Wand. Ich meine, was soll das denn?«
»Hm.«
»Sie haben doch gesagt, wenn irgendwas wär, sollten wir ihn festnehmen. Wir hatten nichts, um ehrlich zu sein, Chef.«
»Das haben Sie gesagt.«
»Dann ist es mir wieder
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