Des Abends eisige Stille
schon von Autos? Wer gibt ihm so einen Job?«
Michelle kam aus der Küche.
Er konnte es ihr nicht sagen, das wusste Andy. Wenn er Lee Carters Namen in diesem Haus erwähnte, würde er rücklings draußen auf dem Weg landen, die Tür hinter ihm zugesperrt.
Michelle starrte ihn an.
»Stimmt das?«
Andy ging zur Treppe. »Das stimmt.«
Er zog sein nasses Hemd und die Hose aus und schlüpfte in trockene Sachen. In dem Zimmer, das er mit seinem Neffen teilen musste, konnte man sich kaum umdrehen.
Er hätte Carter nicht anrufen, ihm nicht zuhören dürfen. Carter bedeutete Ärger. Hatte ihm schon einmal das Leben ruiniert. Warum ihm eine zweite Chance geben?
Das hier war der Grund. Andy sah sich in dem muffigen, vollgestopften Zimmer um – die Wände beklebt mit Matts Postern von Fußballern und Heavy-Metal-Stars, die Kommode, aus der Klamotten quollen, obendrauf Berge alter Spielsachen. Unter Matts Bett stand ein halbes Dutzend ausgelatschter Turnschuhe, und die Turnschuhe stanken. Das war der Grund, das und sein Schwager mit dem schweinchenrosa Gesicht.
Außerdem, wer konnte sagen, dass die Autogeschichte nicht absolut koscher war? War sie vermutlich. Er würde ein Jahr lang mitmachen, vielleicht achtzehn Monate, bis er das Geld gespart hatte, das er brauchte. Das würde schon hinhauen.
Mit seinen nassen Sachen über dem Arm ging er wieder nach unten. An der Tür zum Wohnzimmer schaute er hinein, wollte sehen, ob der Mann immer noch durch den Garten ging, aber auf dem Bildschirm flimmerte jetzt ein Zeichentrickfilm.
In der Küche goss Michelle in zwei Becher Wasser über Teebeutel.
»Wir haben dem Dreckskerl Beine gemacht«, sagte sie, als Andy hereinkam. »Die Bullen haben ihn vor einer halben Stunde mitgenommen.«
»Wohin?«
Sie zuckte die Schultern. »Ist mir egal, solange es weit weg von hier ist. Wir wollen ihn nicht.«
»Aber irgendwo muss der ja leben.« Andy hängte seine nassen Sachen über die Herdstange.
»Seh ich gar nicht ein. Wenn’s nach mir ginge, würden sie die aufhängen.«
»Nee, damit gehst du zu weit, Liebling, Kastration würde schon reichen.«
Michelle lachte.
Andy setzte sich an den Küchentisch und legte seine Hände um den Teebecher.
»Hast du Nathan Coates noch mal gesehen?«
»Ja, der war zweimal da. Ist jetzt ein hochnäsiger kleiner Wichser, nur weil er Bulle ist. Keine Ahnung, wie der dazu kommt, sein Bruder hat überhaupt nichts auf die Reihe gekriegt.«
»Hat er was davon gesagt, ob sie diesen Jungen gefunden haben?«
»Hab nicht gefragt. Haben sie aber bestimmt nicht. Der arme kleine Kerl liegt garantiert tot in irgendeinem Graben, und es war wieder so ein Pädo. Wie dieser Brent Parker. Was sonst?« Mit dem Gasanzünder machte sie sich eine Zigarette an. »Solche Sachen passieren trotzdem«, sagte sie.
»Was meinst du damit?«
»Leute wie die, verstehst du … piekfeine Familie, wohnen am Sorrel Drive … All das spielt keine Rolle. Es rettet dich vor nichts. Wenn’s drauf ankommt, nützt all die Kohle nichts, und du bist besser dran, so zu sein wie wir. Jetzt schiebt eure Hintern hier raus, ich hab zu tun.«
Die beiden Männer gingen ins Wohnzimmer, wo der Fernseher schwarzweiß und ruhig geworden war und eine alte, romantische Komödie lief.
Andy trat ans Fenster. Die Dulcie-Siedlung sah im Regen heruntergekommen und verlassen aus. Gras spross zwischen den Pflastersteinen und an den Rändern der Gullys. Wasserrinnsale flossen aus den Abflussrohren am Wohnblock gegenüber und hinterließen dunkle Flecken. Es war nicht so, dass er im Gefängnis besser dran sein würde. Das stimmte nicht und war nie so gewesen. Aber wenn er nach seiner Entlassung für den Rest des Lebens nichts Besseres als das hier finden würde, dann würde er Selbstmord begehen. Trotzdem, es war etwas dran an dem, was Michelle gesagt hatte. Das wusste er. Diese Leute hatten das, was er wollte – ein großes Haus in einer netten Gegend, schicke Autos, gute Jobs, alles, um das man sie beneidete, wenn man hier in der Dulcie-Siedlung wohnte, alles, was man sich wünschte. Was er sich wünschte.
Aber wenn man sein Kind an einem Dienstagmorgen verlor, an Gott weiß wen oder was, spielte das nicht die geringste Rolle mehr.
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25
O h, schau mal, Liebling, schau … so schön!«
Shirley lehnte Martha geschickt über ihren Arm, während sie mit dem anderen die Rückenstütze und das Kissen aufklopfte und Martha dann bequem wieder hinsetzte. Als hantiere sie mit einer Riesenpuppe,
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