Des Abends eisige Stille
Gunton.«
»Wo wohnen Sie?«
Er gab eine Adresse in der Dulcie-Siedlung an.
»Danke. Sie sind in einem silbernen Jaguar XKV aus Lafferton gefahren. Ist das Ihr Auto?«
»Ja.«
»Warum haben Sie es dann hinter dem Hangar geparkt?«
»Warum sollte ich nicht?«
»Ein wertvolles Auto wie das? Fürchten Sie nicht, dass es gestohlen oder kaputt gemacht wird? Ein Topmodell, nehme ich an. Neu, oder?«
»Ja.«
»Also, warum stellen Sie es hier ab und gehen weg?«
»Ich hab es für einen Kumpel hiergelassen.«
»Verstehe. Welchen Kumpel?«
»Nur ein Kumpel.«
»Was, und der holt es hier ab?«
»Genau.«
»Wie soll er an die Schlüssel kommen?«
»Hab sie im Wagen liegengelassen.«
»Wirklich? Ein bisschen unvorsichtig bei so einem Auto.«
»Er wird jede Minute hier sein.«
»Und wie kommen Sie nach Hause?«
»Er nimmt mich mit, okay?«
»Waren Sie schon mal hier, Mr. Gunton?«
»Und wenn?«
»Wie oft?«
Der Mann kratzte mit der Schuhspitze auf dem Beton. »Hab mich hier oft rumgetrieben, als ich Kind war.«
»Ich meine, eher in letzter Zeit. Waren Sie in letzter Zeit hier?«
Keine Antwort.
»Warum haben Sie dort bei dem Hangar geparkt?«
»Weil der abgelegen ist.«
»Verstehe. Sie sind nicht hineingegangen?«
»Warum sollte ich? Ich hab doch gesagt, ich hab nur mein Auto da abgestellt.«
»Sind Sie je in dem Hangar gewesen?«
»Keine Ahnung. Kann sein. Ich hab doch gesagt, als ich …«
»Nein, nicht als Sie Kind waren. In der letzten Woche?«
»Nein.«
»Sind Sie sicher?«
»Klar bin ich sicher, ich bin doch kein Schlafwandler, ich hab mein Gedächtnis nicht verloren. Ich war nicht da drin.«
»In keinem der Hangars?«
»Nein, in keinem. Hören Sie, was soll das?«
»Wissen Sie irgendwas über einen neunjährigen Jungen namens David Angus, der vermisst wird, seit er das letzte Mal vor seinem Haus gesehen wurde?«
Verblüfftes Schweigen. Andy Gunton starrte Serrailler im grellen Licht der Scheinwerfer verständnislos an.
»Ach du Scheiße«, sagte er schließlich leise, »geht es darum?«
»Bitte beantworten Sie die Frage, Mr. Gunton.«
»Ja, ich weiß von ihm. Man kann nicht in Lafferton leben und nichts von ihm wissen, er ist doch überall, in jedem Schaufenster auf den Plakaten. Armer kleiner Kerl.«
»Warum sagen Sie das?«
»Na, natürlich sag ich das. Sie etwa nicht?«
»Wissen Sie irgendwas darüber, wo er sein könnte?«
Andy Gunton trat einen Schritt vor. Er zischte mit zusammengebissenen Zähnen, und die Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. »Nein, verdammt noch mal. Ich wünschte, ich wüsste was. Ich wünschte, ich könnt Ihnen sagen, dass er irgendwo in Sicherheit ist, dass er es warm hat, und könnte Sie da hinbringen, aber das ist er nicht, das hat er nicht, Sie und ich wissen das.«
»Tatsächlich? Wissen Sie es?«
»Hören Sie zu, ich mag ja einiges angestellt haben …«
»Was denn?«
»Doch so wahr mir Gott helfe und beim Grab meiner Mutter, ich hab nie einem Kind auch nur ein Haar gekrümmt und würde das auch nie tun. Das schwör ich auf jede Bibel, hier auf der Stelle, hören Sie?« Er sagte die Wahrheit. In seinem Ton und seinen Worten lag pure und beinahe rechtschaffene Wut. Serrailler spürte, dass ihn die Wahrheit regelrecht ansprang.
»Sie sind einen silbernen Jaguar XKV gefahren. Sie behaupten, es sei Ihr Auto.«
»Genau.«
»Ein silberner Jaguar XKV wurde im Sorrel Drive gesehen, in der Nähe des Hauses der Angus, am Tag, bevor David Angus verschwand.«
»Scheiße«, sagte Andrew Gunton leise.
»Ich muss Sie bitten, mit aufs Revier zu kommen und eine Aussage zu machen.«
»Ja.«
»Ich verhafte Sie nicht, haben Sie verstanden?«
»Das ist mir scheißegal. Ich werde die Aussage machen. Ich mach alles, was Sie wollen, wenn es hilft, das Kind zu finden.«
»Vielen Dank, Mr. Gunton. Wenn Sie sich hinten in den Streifenwagen setzen wollen, wir sehen uns dann auf dem Revier.«
Simon schickte sie los und stieg in sein Auto. Der Mond war herausgekommen, und die Hangars warfen lange Schatten über die alten Rollbahnen. Die Wellblechhütten waren verrostet, ihre gewölbten Dächer geschwärzt und aufgebrochen. Statt dem Streifenwagen zu folgen, fuhr er auf die Hangars zu und parkte neben dem Jaguar.
Es war still. Kein Wind ging, nicht der kleinste Lufthauch.
Er hielt nicht viel davon, Intuitionen und Ahnungen zu folgen, aber er hatte ein starkes Gefühl der Leere auf diesem Gelände und spürte überhaupt nichts Böses oder Gefahrvolles.
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