Des Christliche Teutschen Herkules [...] Wunder-Geschichte
solcher Gestalt / als sie über sich selbst in gleichen fällen wolte gesprochen haben. Mein Verstand im Urtelsprechen / sagte sie / ist sehr schlecht und kindisch / doch meine unmaßgebliche Meynung darüber anzudeuten / bin ich meinem Herren gerne Gehorsam. Hierauff nun fing Ladisla also an: In meinem Vaterlande lag eine wunderschöne Jungfer in einem tieffen Turm gefangen / woselbst sie von gifftigen Schlangen und allerhand schädlichem Ungezieffer gar ümringet wahr / daß Menschlichem Ansehen nach / unmöglich schien / sie daraus hätte können errettet werden. Sie wahr aller ihrer Kleider beraubet / mit Händen und Füssen angeschlossen /daß sie weder weichen noch sich wehren kunte / und erwartete alle Augenblik / wann daß Ungezieffer /welches mit dem vergiffteten anhauchen ihr schon dräuete / sie anfallen und verzehren würde. Nun fügeten es die Götter / daß ein Ritter ohngefehr vorüber ging / ihr klägliches Geschrey hörete / und zu allem Glük einen losen Stein in der Untermauer des Turmes antraff / welchen er außhub / und sich in die Gefängnis hinunter ließ / machte sich an das gifftige Gewürm / zutrat sie / und führete die Jungfer frey und gesund heraus / so gar / daß sie nachgehends niemand weiter besprechen durffte / weil ihre Unschuld ans Licht kam. Die Jungfer bedankete sich mit worten höchlich gegen den Ritter / versprach auch die geleistete Rettung in der Taht zu vergelten / und nöhtigete ihn mit zu gehen / damit sie ihm seine Dienste belohnen könte. Dieser wahr hierzu willig und folgete nach /biß sie zu einem verborgenen tieffen Loche kahmen /dahinein sties sie diesen frommen gutherzigen Ritter /legte einen Stein vor das Loch / daß es kein Mensch erfahren solte / ging davon / und lies ihn elendig sterben und verschmachten. Hieselbst wolle nun mein Fräulein / gethanem Versprechen nach / ohn alles ansehen Urteilen / was der Ritter wegen geleisteter Rettung; die Jungfer aber vor ihre Dankbezeigung verdienet habe. Frl. Sophia antwortete; Mein Herr / ich entsetze mich über dieser Erzählung / und hätte nicht gemeinet / daß so grosse Boßheit bey einigem Menschen / geschweige bey einem Weibesbilde solte gefunden werden; da auch meine Urtel gelten solte /spreche ich ohn Gunst und Ungunst / wie ich über mich selbst wolte sprechen lassen / daß diese schnöde Jungfer verdienet / vor erst in die vorige Gefängnis geworffen / und mit zehenfachen Unzieffer geplaget zu werden; jedoch / dafern mein Herr mich berichten wird / ob auch der Ritter diese Jungfer nach geschehener Erlösung an ihren Ehren gekränket habe; wo nicht / muß die Urtel billig gültig seyn / wie gesagt; der Ritter aber solte nicht allein errettet / sondern zum Herren über alle ihre güter eingesezt werden; solte über daß täglich viermahl hingehen / und an der Straffe seiner Feindin sich ergetzen; auch das Gewürm reizen / daß es dieser grausamen und Undankbaren die aller empfindlichsten Schmerzen anlegete. O mein Fräulein / antwortete Ladisla; der gütige Himmel wende ja diese Urtel / und lasse vielmehr alles über mich ergehen. Sie erblassete vor schrecken über diese Worte / und sagete zu ihm; Wie so mein Herr? habe ich ihm zum Verdries geurteilet / warumb hat er mich dann so hoch dazu vermahnet? Ach ach / sagte er / ich kan dieser Urtel nicht beypflichten / weil die Jungfer mir lieber / als mein eigen Herz; der Ritter aber mir sehr verwand ist. Jezt merkete sie sein Räzel / wohin es zielete / taht aber nicht deßgleichen / sondern gab zur Antwort: Eure Liebe und Freundschafft mein Herr / ist mir allerdinge unwissend; unterdessen aber halte ich meine Urtel den Rechten noch gemäß. O mein Fräulein / sagte er / viel zu stränge viel zu stränge! warumb aber zu stränge? fragte sie; ich meine / der Himmel selbst werde meinen Schluß billichen / als welcher nichts so sehr / als die Undankbarkeit hasset; möchte doch gerne von ihm hören / wie ich die Urtel anders fassen solte. Meine Meynung währe / antwortete er / es solte diese Jungfer vor erst gehalten seyn /den unschuldigen frommen Ritter aus dem Loche zu ziehen / und ihm eine bessere Dankbarkeit zu erweisen; würde hernach der Ritter zugeben können / welches ich doch nie gläube / daß sie in vorige Gefängniß gelegt würde / stünde davon zu rahtschlagen / wie /welcher gestalt / und wie lange; ja würde der Ritter nicht klagen / so bedürffte es keines weitern Spruchs. Bey meiner Träue / sagte sie / es währe eine wolbedachte / aber gar gelinde Urtel an
Weitere Kostenlose Bücher