Des Drachens grauer Atem
Evangelium, seit mehr als zwanzig Jahren. Wer ihn allerdings näher kannte, der wusste, dass in Pater Carolus' Pfahlhaus ein kleines, leistungsfähiges Funkgerät stand, mit dem er täglich Verbindung zu einer amerikanischen Dienststelle in Bangkok hatte. Diese Dienststelle war es, die den Trupps der Schan die Waffen lieferte und die Munition, zuweilen auch Reis oder andere Lebensmittel, Tabak und jenes Getränk, das zwar nicht so schnell berauschte wie der einheimische Laku, das aber besser schmeckte, den Whisky.
Pater Carolus besaß genaue Karten von Nordburma, auf denen jede Straße, jede Brücke und selbst die kleinste Siedlung verzeichnet waren. Er empfing mit seinem Funkgerät zuweilen Nachrichten aus Rangun, und immer wenn von dort Soldaten ausrückten, um gegen die Marodeure in den Bergen eingesetzt zu werden, erfuhr Pater Carolus das einige Tage vorher. Von Zeit zu Zeit wählte Pater Carolus aus den jungen Burschen, die zu den Banditentrupps gehörten, die intelligentesten aus und brachte ihnen das Abc bei, wobei er ihnen gleichzeitig die Fähigkeit vermittelte, sich in der Sprache ihrer Ausbilder einigermaßen zu verständigen. War das getan, verschwanden diese jungen Burschen für einige Monate. Durch Thailand wurden sie nach den Philippinen gebracht, wo sie auf amerikanischen Truppenübungsplätzen militärisches Training absolvierten. Wenn sie heimkehrten, übernahmen sie die Führung weiterer Trupps von bewaffneten Banditen.
Auch Nautung war auf den Philippinen ausgebildet worden, was ihm unter seinen Männern unbegrenzte Autorität einbrachte. Als er ihnen jetzt befahl, die Tiere im Schutz der Schlucht festzubinden, sie abzuladen und zwei Posten oberhalb der Schlucht aufzustellen, befolgten sie seine Anweisung ohne Widerrede. Einer öffnete einen Behälter mit Rationspackungen, und der Trupp ließ sich zur Rast in der Schlucht nieder. Aber die Ruhe dauerte nicht lange, denn schon nach einigen Minuten meldete der Posten am östlichen Zugang das Nahen eines Mannes.
Nautung kletterte auf einen Felsen und hob sein Glas an die Augen. Bald konnte er die Gestalt erkennen, die sich durch das hohe Buschwerk näherte. Es war Bansammu. Der Anführer ging ihm entgegen. Als er nahe genug heran war, rief er ihn an: „He, Bansammu!"
Der Alte blieb erschrocken stehen. Aber dann erkannte er Nautung und sagte vorwurfsvoll: „Du bist das! Warum lauerst du mir auf?"
Der Anführer grinste vergnügt. „Wir sind eben angekommen. Hatten noch keine Zeit, einen Mann ins Dorf zu schicken."
„Was wollt Ihr?"
„Austausch."
Bansammu gab einen mürrischen Laut von sich. Wie immer, dachte er. Sie kommen hierher, und wir wissen nichts. Dann kommt eine Maschine, und wir haben die Arbeit. Sie machen das mit den Amerikanern über ihre Funkgeräte ab, und wir spielen die Handlanger. Wir decken sie. Was für ein widerliches Spiel das geworden ist! „Ich wollte auf die Felder", sagte Bansammu.
Der Anführer meinte: „Dann geh nur. Wir machen das mit Lo Wen ab."
Als er hörte, dass Lo Wen nicht da war, zuckte er die Schultern. Bansammu erzählte ihm nichts von Lo Wens Schicksal. Er sagte nur brummig: „Ich werde zurückgehen. Es ist sonst weiter niemand im Dorf."
Nautung griff in die Brusttasche seiner Dschungeljacke und zog ein Päckchen amerikanischer Zigaretten heraus. Als Geste der Versöhnung hielt er Bansammu die Packung hin, der nahm sich eine der Zigaretten und rauchte sie an. Er war gewohnt, starken, grob geschnittenen Landtabak in einer aus Bambus gefertigten Pfeife zu rauchen, aber er schätzte den Duft, der aus diesen amerikanischen Zigaretten aufstieg. Manchmal hatten die Flieger ihm ein paar Päckchen zugesteckt. Die Banditen von jenseits der Grenze hatten stets einen großen Vorrat davon. Bansammu wusste, dass sie sie meist dazu benutzten, schnell einen Zug Opium zu machen.
Auch jetzt tat der Anführer das. Er nahm aus der anderen Tasche eine kleine Dose, die mit einem schmutzigweißen Pulver gefüllt war, tupfte das Ende seiner Zigarette in dieses Pulver und brannte sie an. Er tat einen tiefen Zug und lächelte. Bei dem Pulver handelte es sich um minderwertiges Heroin, das die Schan in primitiven Laboratorien herstellten. Obwohl sie von Hongkonger Chemikern dazu angelernt worden waren, gelang ihnen das Endprodukt nicht vollkommen. Es war nicht mit dem hochwertigen Heroin zu vergleichen, das in den großen Zentren der Opiumverarbeitung hergestellt wurde, und es diente den Banditen nur zum eigenen
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