Des Drachens grauer Atem
Gebrauch.
„Du jagst den Drachen am hellen Tag?" sagte Bansammu mit gerunzelter Stirn. Für gewöhnlich rauchten die Leute Opium nur am Abend, jedenfalls hier in den Bergen, und sofern sie es überhaupt taten.
„Ein bisschen", erwiderte Nautung. „Ein Zug jetzt, ein Zug in ein paar Stunden. Es erleichtert den Marsch über die Berge."
Bansammu bezweifelte das, denn obgleich die Droge imstande war, das körperliche Befinden für kurze Zeit zu heben, ließ sie doch die Leistung schon bald erheblich absinken. Aber Bansammu sagte nichts. Er erkundigte sich nur: „Du sagst, ihr wollt austauschen. Habt ihr etwas mit?"
„Zehn Säcke."
„Ihr könnt sie gleich ins Dorf tragen", schlug Bansammu vor. „Lo Wens Keller ist leer."
Es wiederholte sich jedes Mal das gleiche. Die Piloten hatten von ihrem Chef in Bangkok die strenge Anweisung, mit den Schan-Leuten nicht in Kontakt zu kommen. Das war vor langer Zeit so vereinbart worden, und jeder hielt sich daran. Sie brachten mit dem Flugzeug ihre Lasten, und die Schan-Leute deponierten zuvor ihr Opium in dem Erdkeller unter Lo Wens Haus. Wenn die Piloten sich überzeugt hatten, dass das Opium in dem Erdkeller bereitstand, zogen sie sich zurück. Den Rest erledigte Lo Wen mit den Schan-Leuten. Er schaffte das Opium zum Flugzeug, und die Schan-Leute luden die mitgebrachten Lasten selbst aus.
Mister Warren, der vor Jahren mit Lo Wen diese Art des Austausches vereinbart hatte, wusste wohl, weshalb er so verfahren ließ. Niemand sollte je behaupten können, dass die Piloten der Air America mit den Schan-Banditen handelten. Das tat Lo Wen. Keiner der Schan-Banditen würde jemals, falls er gefangengenommen und verhört würde, beweisen können, er habe einen amerikanischen Piloten auch nur gesehen. Und keiner der Piloten würde seinerseits einen der Banditen beschreiben können, mit denen Mister Warren Handel trieb. Selbst wenn man einen der Piloten zu einer Aussage über seine Tätigkeit brachte, würde er nur erklären können, er habe Kisten mit unterschiedlichem Inhalt in eines der Not leidenden Dörfer in den Bergen des Nordens geflogen und sie dort an den Dorfvorsteher übergeben. Das war klug ausgedacht. Nichts war zu beweisen. Wenn man Mister Warren nach dem Inhalt der Kisten fragte, würde er sogar behaupten können, es habe sich dabei um Hilfsgüter gehandelt.
Bansammu rauchte die Zigarette zu Ende, während Nautung zehn Leute bestimmte, die die Säcke zum Dorf tragen sollten. Als sie damit abzogen, folgte Bansammu ihnen. Nautung blieb zurück. Er sah auf seine Uhr und entschloss sich, noch ein wenig zu schlafen, bis die Maschine kam.
Die Schan-Leute hielten sich nicht lange im Dorf auf. Sie luden die Säcke mit dem Opium ab und machten sich wieder davon. Bansammu stellte die Säcke zurecht. Der Keller war leer, bis auf einen nicht ganz vollen Sack Rohopium, der in einer Ecke stand. Man hatte ihn zurückbehalten, weil der Stoff minderwertig war. Er stammte noch von der letzten Ernte, damals hatte ein unerwartet auftretender Sturm in der Nacht zwischen dem Anritzen der Kapseln und dem Abschaben des ausgetretenen Saftes eine Menge Schmutz und Laubreste über ein Feld geweht. Als die Frauen am Morgen mit dem Abkratzen begannen, zeigte es sich, dass so viele Fremdkörper an dem ausgetretenen Saft hängen geblieben waren, dass der Stoff für den Handel unbrauchbar war. Man erntete das Feld trotzdem ab, aber seitdem stand der Sack mit dem Rohopium in Lo Wens Keller. Bansammu rückte ihn beiseite, so dass er später nicht etwa aus Versehen mit verladen werden würde, und legte auch noch ein paar herumliegende leere Plastsäcke ordentlich zusammen. Als er wieder hinaufstieg, begann die Sonne gerade hinter den Bergkämmen im Westen zu versinken. Violettes Grau überzog schon die Osthänge.
Bansammu horchte in den Himmel, aber noch war kein Flugzeuggeräusch zu vernehmen. Dafür erschien auf der Ebene, auf der sich die Landepiste befand, Satchanasai. Sie hatte sich beeilt und den Weg von der Poststation in Fang ohne längere Rast zurückgelegt. Jetzt schlenderte sie auf Bansammu zu, und der Alte merkte, dass sie vergnügt war wie immer, wenn sie einen Ausflug dieser Art gemacht hatte.
„Ich bin leichtsinnig gewesen", sagte sie lachend. „Ich hatte noch ein paar Satangs. Dafür habe ich eine bunte Postkarte gekauft, mit einem Bild des Wat Phra Singh in Chiengmai. Ich habe sie an Sinhkat geschickt."
„Soso, an Sinhkat", sagte Bansammu. „Was hast du ihm
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