Des Drachens grauer Atem
Dschungels zeigte, lagen die Felder mit dem Mohn. Man konnte sie nicht erkennen. Aber Bates wusste, sie waren da. Und die Ernte hatte begonnen. Bates war zufrieden, denn das hieß, seine Rechnung wurde aufgehen.
Die Schlucht lag einen Kilometer westlich von Muong Nan. Der Trampelpfad, der von der Siedlung zu ihr führte, zweigte kurz vor den ersten Felsen nach Norden ab und verlief dann über langsam ansteigendes Gelände in die Gegend, in der die Bewohner ihre Mohnfelder angelegt hatten. In der Schlucht war es kühl, und es herrschte selbst am hellen Tage ein dämmeriges Licht, weil die Sonne von den Kronen der hohen Bäume abgefangen wurde, die oberhalb der Felsen wuchsen. Ging man durch die Schlucht weiter, einige hundert Meter, gelangte man wieder in offenes Gelände, das stetig anstieg, bis dorthin, wo die Grenze zu Burma war. Es war kein weiter Weg dahin, kaum eine halbe Stunde musste man gehen, aber die Leute aus Muong Nan hätten nicht sagen können, wie die Grenze genau verlief. Sie war nicht markiert, und wenn sie einmal markiert gewesen sein sollte, so hatte der Dschungel diese Markierungen längst überwuchert. Ein breiter werdender Pfad verlief in westlicher Richtung, in das Gebiet, von dem die Leute aus Muong Nan wussten, dass dort -ein oder zwei Tagemärsche entfernt - die ersten Siedlungen der Karen lagen. Kleine Dörfer, verlassen wirkend, im tiefen Wald versteckt, ohne Verbindung mit der Umwelt.
Auch die Lage dieser Dörfer war nur ungenau zu bestimmen, denn die Karen verfuhren ebenso wie die Schan und die weiter im Norden lebenden Kachins bei der Anlage ihrer kleinen Felder, auf denen sie lebensnotwendige Nahrungsmittel zogen, immer noch nach der alten Methode der Brandrodung. Sie zündeten in der trockenen Jahreszeit ein Stück Wald an, ließen es abbrennen, arbeiteten die Asche in die Erde ein und bebauten dann später diesen Boden. Sie ackerten den Boden nicht um, und sie düngten ihn auch nicht. Nach spätestens zwei oder drei Jahren gaben die Felder keine nennenswerten Ernten mehr her. Dann pflegten die Karen einfach ein weiteres Stück Wald abzubrennen und darauf neue Felder anzulegen. Einen geeigneten Platz fanden sie oft erst mehrere Kilometer von der alten Ansiedlung entfernt; daraus hatte sich die Sitte entwickelt, die alte Siedlung einfach zu verlassen und in der Nähe der neuen Felder eine neue Siedlung anzulegen. Da sie stets mit dem Namen der verlassenen bezeichnet wurde, verschob sich so im Verlaufe von Jahren die Lage eines einmal auf der Landkarte festgehaltenen Dorfes ganz erheblich, und es war von Leuten, die sich nach der Landkarte orientierten, einfach nicht mehr zu finden. Selbst in Muong Nan hätte man heute über die Lage der nächsten Siedlung auf burmesischer Seite nur sehr ungenaue Angaben machen können. Im Grunde interessierte das auch niemanden. Die Karen waren Fremde. Ihre Sprache war anders. Ihre Sitten unterschieden sich von den eigenen. Handel mit ihnen zu treiben lohnte nicht. Man hatte keine Feindschaft mit ihnen, denn es hätte für eine Feindschaft keinen Grund gegeben. Erst in den letzten Jahren war man wieder darauf aufmerksam geworden, dass es jenseits der Grenze Vorgänge gab, die sich auf die Siedlungen diesseits der Grenze auswirkten.
Das Dutzend Männer, das am Nachmittag, von Burma kommend, in die Schlucht zog, die zwischen Muong Nan und der burmesischen Grenze lag, führte Maultiere mit, die in Plastsäcke verpacktes Rohopium trugen. Der Anführer, ein kleiner, säbelbeiniger Mann vom Stamme der Schan, war mit einem M-16-Gewehr bewaffnet, die übrigen trugen Maschinenpistolen. Sie waren in Uniformen gekleidet, wie sie von den amerikanischen Soldaten im Vietnamkrieg getragen worden waren. Nur Abzeichen wiesen sie nicht auf. Am östlichen Ausgang der Schlucht hob der Anführer die Hand und ließ den Trupp halten. Er blickte sich in der Gegend um und vergewisserte sich, dass keine Menschen in der Nähe waren.
Nautung war ein vorsichtiger Mann, obwohl er noch jung war, vielleicht fünfundzwanzig Jahre. Das Dorf, aus dem er stammte, lag mehr als hundert Kilometer von dieser Schlucht in Thailand entfernt. Der Vater Nautungs hatte schon den Amerikanern als Pfadfinder ihrer Kommandotrupps gedient, damals, als die Japaner Burma besetzt hatten. Heute führte sein Sohn einen Trupp Bewaffnete, wiederum im Dienste der Amerikaner Er zog mit seinen Leuten nicht planlos unter die Berge. Zu Hause, in Chwaudang, lebte Pater Carolus. Offiziell lehrte er die Schan das
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