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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Norden und wären unvergleichlich. Krung Thep, wo die Mädchen abends vor den Türen stünden, wäre jedoch ein übles Pflaster für einen Ausländer. Dann schon lieber über die Menambrücke fahren, südwärts, in die Chinesenstadt. „Chinesische Mädchen..." Er ballte eine Hand zur Faust und ließ den Daumen hochstehen. Eine Geste, die er von den Amerikanern gelernt hat, dachte Wilkers. Der Professor bat, den Wagen noch einmal anzuhalten, als er einem Grüppchen Mönche begegnete, die von einem der Klöster auszogen, ihre Morgenmahlzeit zu erbetteln. Gestalten mit kahl geschorenen Köpfen, in safranfarbene Roben gehüllt. Sie brauchten nicht weit zu gehen, die Leute erwarteten sie am Straßenrand. Fast demütig überreichte man ihnen Reis und Gemüse, ein Stückchen Fisch, ein Nudelgericht oder wenigstens das, was man vom eigenen Nudelgericht abgespart hatte für die heiligen Männer.
    Wilkers beobachtete den Vorgang eine Weile und erkannte bald, dass es eigentlich falsch war, von Bettelei zu sprechen. Die Leute verbeugten sich tief, wenn sie ihre Gabe in das Gefäß des Mönches legten, sie waren ihm dankbar, dass er es annahm. Die Verheißung der Seligkeit nach dem irdischen Leben bewegte die Gläubigen dazu, die Schüler Buddhas zu ernähren. Jede Handvoll Reis, jedes Stückchen Fisch würde die sprichwörtliche Gunst des Gautama verstärken. Und das Nirwana würde voller Reis in silbernen Schalen sein, voller Flüsse mit springenden Fischen und voller saftiger Weiden, auf denen Rinder und Schweine für die Hungrigen bereitstanden.
    Nach und nach belebten sich die Straßen der Stadt mit Autos und Motorrädern. Fahrräder beherrschten lange das Bild, und es schien, als radelte der größte Teil der Stadtbewohner zu den Arbeitsstätten. Auf den vergoldeten Tempeldächern spiegelte sich die Sonne. Es würde ein heißer Tag werden, aber das beunruhigte den Professor nicht. Er hatte einige Male schon die Erfahrung gemacht, dass er diese Art Hitze vertrug, besser als das kühle, oft regnerische Klima zu Hause. Man könnte hier leben, dachte er. Nur der Winter würde einem fehlen.
    Doch auch das ist vermutlich ein Vorurteil. Man müsste es erproben. Leider werde ich das nicht können, aber ich beneide jeden, der es sich vornehmen kann.
    Der Fahrer des Taxis dehnte die Rundfahrt aus. Er lenkte sein Fahrzeug durch die noch stillen Seitenstraßen, in denen die Werkstätten der Silberschmiede und Holzschnitzer lagen, der Laternenmacher und Seidenweber, Töpfer und Schlosser. Zu dieser frühen Tageszeit schoben die meisten von ihnen die Gitter hoch, mit denen die Läden über Nacht gesichert gewesen waren. Sie begannen ihre Erzeugnisse zur Schau zu stellen. Eine Stunde noch, und- das Menschengewimmel würde einem Auto das Durchkommen nahezu unmöglich machen.
    Unweit des Hotels ließ Wilkers sich absetzen. Er hatte das Bedürfnis, noch ein wenig zu Fuß durch die Straßen zu gehen. Er wollte in die Gesichter der Menschen blicken, sie beobachten. Wenn er schon nicht ihre Sprache verstehen konnte, wollte er doch wenigstens möglichst vieles genau sehen. Er betrachtete hier und da eine Auslage in einem Fenster, er blickte jungen Mädchen nach, die unglaublich kurze Röcke trugen, und alten Frauen im traditionellen Sarong. Er sah, wie gut gekleidete Beamte vor den Eingängen der Bürohäuser aus blank geputzten Limousinen stiegen, und er verfolgte interessiert das Spiel der Kinder am Straßenrand. Man beachtete ihn nicht. In dieser Stadt war man an Fremde gewöhnt. Dabei war es nicht so einfach zu sagen, ob alle Fremden das offene gutmütige Lächeln verdienten, das ihnen entgegengebracht wurde. Eine Stadt der freundlichen Gesichter, sagte sich Wilkers. Wie viel von diesem Lächeln ist echt?
    Im „Asia" ließ er sich telefonisch mit dem Seidenfabrikanten Blake verbinden. Er war erstaunt, dass Blake selbst sich meldete. Der junge Mann am Empfang hatte ihm die Nummer von Blakes Privatanschluß gegeben. Es schien, als sei Blake gar nicht so sehr überrascht, von einem Unbekannten angerufen zu werden. Er lud Wilkers höflich ein, ihn zu besuchen, nachdem er erfahren hatte, dass der Professor Wert auf eine persönliche Unterhaltung legte. Zu Wilkers Erstaunen bat er ihn, sich zur Anlegestelle des Jachtclubs zu bemühen, wo er ihn empfangen und zu seiner Jacht bringen würde. Wilkers verlor keine Zeit. Er nahm ein Taxi, und als er nach einer ziemlich langen Fahrt am Jachtclub ausstieg, wo ganze Reihen von Booten aller Art angelegt

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