Des Drachens grauer Atem
aufwendiger wird es.
Ich werde in der nächsten Woche meine Diplomarbeit abschließen. Ich habe darin nachgewiesen, dass bei den derzeitigen Verhältnissen der Erlös von zwei Zentnern Reis, die man aus dem Gebirge in die Ebene transportiert, nach Abzug aller Aufwendungen für Futter, Nahrung für den Treiber und dergleichen, nicht mehr genügt, so viel Saatreis einzukaufen, dass bei der nächsten Ernte wenigstens wieder ein Zentner Ertrag erzielt wird. Das ist die traurige, aber exakte Rechnung. Und nun vergegenwärtigen Sie sich bitte: Wenn man diese ganze Aktion mit zwei Zentnern Rohopium, selbst von der schlechtesten Qualität, durchführt, das man auf einem Tragetier aus dem Gebirge in die Ebene schafft, bei gleichem Futteraufwand und Nahrungsmittelbedarf wie bei zwei Zentnern Reis, erzielt man beim Verkauf einen Erlös von genau fünftausend amerikanischen Dollar. Wird Ihnen jetzt klar, warum man in unseren Bergen nicht Reis anbaut, sondern Opium?"
Wilkers hatte längst begriffen, mehr als der junge Mann ahnen konnte. Selbst die kluge Kommission in New York hatte nie an diese Aspekte des Opiumanbaus gedacht. Dort hielt man die Produktion von Rohopium in bestimmten Gebieten der Welt im wesentlichen für einen unfreundlichen Akt gegen die Weltgesundheit und versuchte, die Auswirkungen einzudämmern. Zuweilen wunderte man sich, dass man damit nicht weiterkam. Das konnte jedoch nicht sein, weil man die sozialökonomischen Ursachen für den Anbau, die in den einzelnen Gebieten überdies unterschiedlich waren, entweder nicht kannte oder außer acht ließ.
Überall dort, wo die Droge der Öffentlichkeit zu schaffen machte, hatte sich die Ansicht herausgebildet, dass die illegalen Händler, die das Tütchen mit dem Pulver anboten, zwar Schurken waren, dass sie aber ihr Geschäft nur machen konnten, weil ebensolche Schurken in den Bergen von Nordthailand oder anderswo ihnen durch den Anbau des Mohns überhaupt erst die Chance dazu gaben. Und das war der Denkfehler.
Man würde die Droge niemals dadurch bannen können, dass man immer mehr Polizisten und Hunde, elektronische Geräte oder Denunzianten auf sie ansetzte. Man würde sie ebensowenig bannen können, indem man den Anbau in den dafür berüchtigten Gegenden der Welt einfach zu verbieten versuchte. Das einzige wirksame Mittel gegen sie war vermutlich das, worauf dieser Student hinwies: Man musste in den Anbaugebieten die sozialökonomische Struktur so verändern, dass für die Bewohner das Rohopium nicht mehr die einzige Erwerbsquelle blieb.
„Mir ist eine Frage aufgetaucht", sagte er nun. „Wäre das ganze Problem nicht einfach durch den Bau einiger Verkehrswege von der Ebene in die Bergregion zu lösen?"
Sinhkat nickte zu seiner Überraschung ernst. „Durchaus kein abwegiger Gedanke, Professor. Er trifft den Kern der Sache."
„Und warum tut man das nicht? Warum gliedert man diese Gebiete nicht sozusagen in die Wirtschaftsstruktur Thailands organisch ein? Ist das eine Kostenfrage?"
„Wohl nicht nur", meinte Sinhkat zurückhaltend.
„Meinen Sie, die Anbaumöglichkeiten in den Bergregionen würden eventuell den Bau von solchen Verbindungen nicht rentabel erscheinen lassen?"
„Nein." Sinhkat führte Wilkers vor eine Reihe Pflanzkästen. „Sehen Sie sich das genau an. Das sind Gewächse, die ich auf dem Boden gezogen habe, der um mein Heimatdorf herum zu finden ist. Leicht mit Stickstoffdünger angereichert und sogar etwas unterdurchschnittlich bewässert. Dahaben Sie außer Reis auch Mais und Gerste. Hier ist Maniok, hier sind Bohnen, Yamswurzeln, Kohl, Bataten, Lauch, und hier ist der Teestrauch. Er gedeiht in den Bergen ebenso wie die Erdnuss, die man zur Ölerzeugung verwenden oder gekocht als Gemüse essen kann. Hiermit habe ich bewiesen, dass es möglich ist, in den Bergen ausreichend Nahrung zu erzeugen. Die Mengen hängen von der Größe der bebaubaren Landstriche ab und von den Bewässerungsmöglichkeiten. Es gibt viel Land in den Bergen, es gibt aber auch eine Unzahl von kleinen Wasserläufen, die das ganze Jahr über nicht austrocknen."
„Also würde sich der Ausbau der Infrastruktur rentieren?"
Sinhkat lächelte. „Für die Gebirgsbewohner, ja."
„Für wen aber nicht?"
„Für die Leute, die mit dem Opium das große Geschäft machen, Professor. Jene, die aus zehn Kilo Rohopium, die sie in unseren Bergen für fünfhundert Dollar kaufen oder für eine Ladung Gewehre, ein Kilo reines Heroin produzieren. Das kostet nach dem
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