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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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persönlich nichts angehen. Außerdem wollte er den Gefangenen nicht kränken. Er sah auf die Uhr. „Kommen Sie, wir müssen aufbrechen."
    Ein Polizeiwagen brachte sie am Zentralmarkt vorbei über die Nawaratbrücke zum Bahnhof im Osten der Stadt. Der Zug verließ Chiengmai am späten Nachmittag. Eines der Abteile war für die Polizei reserviert, und Lo Wen schätzte sich glücklich, dass er wenigstens nicht die neugierigen Blicke der Mitreisenden ertragen musste.
    Während der Zug sich aus dem weiten Tal herauswand und die Hänge aufwärts kletterte, die Chiengmai umschlossen, schaute Lo Wen unverwandt aus dem Fenster. Er war nie zuvor mit der Bahn nach Bangkok gefahren. Er sah die Stadt zum ersten Mal aus dieser Perspektive, wie ein Häufchen bunter Spielzeughäuser, vermischt mit Tempeln und prachtvollen Pagoden, die jemand in dieses idyllische Tal geworfen hatte. Die Höhen, die es eingrenzten, waren mit Reisterrassen bedeckt, hier und da wuchs Tabak, aber auch Sojabohnenfelder gab es und Obstgärten. Der Polizist hatte noch auf dem Bahnhof ein Körbchen voll Lamyais erstanden, süße, aromatische Früchte, die er gleich nach der Abfahrt des Zuges zu verzehren begann und von denen er Lo Wen immer wieder anbot. „Nehmen Sie, sie sind ganz frisch!"
    Lo Wen wollte nicht unhöflich sein und aß eine der Lamyais. Der Polizist behandelte ihn wie einen guten Bekannten. Manchmal schien es, als wäre ihm die ganze Sache peinlich.
    Die Fahrt dauerte nahezu siebzehn Stunden, obwohl der Zug nur auf einem halben Dutzend Stationen für kurze Zeit hielt. Als er Lampang erreichte, war es bereits dunkel. Der Polizist setzte sich so, dass Lo Wen sich bequem anlehnen konnte. Dennoch fand Lo Wen keinen Schlaf. Zwischen Nakhorn Sawan und Lopburi brach der Tag an. Da rieb sich der Polizist die Augen und schlug vor: „Wollen wir auf die Toilette gehen? Wir könnten uns ein wenig Gesicht und Hände saubermachen."
    Sie wuschen sich nebeneinander in dem schmalen Becken der Zugtoilette, und danach schloss der Polizist die Handschellen auf, damit Lo Wen allein seine Notdurft verrichten konnte. Er ermahnte ihn nicht, das Fenster geschlossen zu halten, er sah diesem alten Mann an, dass der nicht die Absicht hatte zu fliehen. Als sie wieder in ihrem Abteil saßen, rief der Polizist den Zugkellner herbei und bestellte sich Reis mit Gemüse zum Frühstück, dazu Kaffee und viel Zucker. Er sah Lo Wen fragend an. „Wollen Sie das gleiche speisen?"
    Lo Wen schüttelte den Kopf. „Ich habe kein Geld."
    „Man hat mir Geld mitgegeben, um Sie zu verpflegen", erklärte der Polizist. „Es ist nicht viel, aber es reicht für ein gutes Frühstück."
    „Ich habe keinen Hunger", wandte Lo Wen ein. Es stimmte, er verspürte weder Hunger noch Durst. Der Beamte winkte ab und beauftragte den Zugkellner: „Bringen Sie das alles zweimal, den Reis, den Kaffee und den Zucker."
    Er löste die Handfessel, als der Reis gebracht wurde, und er tat es wieder, ohne Lo Wen ausdrücklich aufmerksam zu machen, dass er keinen Fluchtversuch unternehmen dürfe. Lo Wen aß ohne Appetit von dem Reis und dem Gemüse und trank den Kaffee, der ihm sogar schmeckte, zumal es viele Monate her war, dass er Kaffee getrunken hatte. Schließlich zog der Beamte die Fessel wieder hervor. Der alte Mann hielt ihm willig die Hände hin, und als das Schloss zugeschnappt war, fragte er unvermittelt: „Warum ich?"
    Der Polizist verstand nicht, was Lo Wen meinte, und erkundigte sich daher: „Ist etwas nicht in Ordnung?"
    „Ich frage mich, warum man gerade mich verhaftet hat?"
    Da begriff der Polizist. Er schwieg eine Weile, dann sah er Lo Wen an. „Opium. Das ist alles, was man mir gesagt hat."
    Vor dem Abteilfenster flogen die grünen Felder der Ebene vorbei. Wassergräben zerschnitten sie in gleichmäßige Quadrate. Noch waren die Bauern nicht draußen, auch nicht die Büffel. Die Sonne schob sich gerade zögernd über den Horizont. Der Polizist, der gern rauchte, brannte sich eine der kräftigen, schwarzen Zigaretten an, die aus einheimischem Tabak hergestellt wurden, blies den Rauch vor sich hin und meinte: „War es nicht Opium?"
    „Natürlich", gab Lo Wen zu. „Aber warum ich? Dutzende von Leuten verkaufen täglich in Chiengmai Opium. Mehr als ich oder weniger, egal. Warum verhaftet man mich und keinen der anderen?"
    Der Polizist lächelte. Ausweichend fragte er: „Sie sind aus Muong Nan, nicht wahr? Sind Sie nicht der Dorfvorsteher?"
    „Das bin ich."
    „Hm", machte der

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