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Des Drachens grauer Atem

Des Drachens grauer Atem

Titel: Des Drachens grauer Atem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Polizist, „da müssen Sie doch wissen, was die Regierung angeordnet hat: kein Opium! Oder?"
    „Ich weiß das", brummte Lo Wen. Plötzlich, als die lange Reise nahezu beendet war, wollte er sich mit diesem Mann unterhalten. „Aber ich weiß auch, dass sich so gut wie niemand an diese Anweisung hält."
    „Das ist auch wieder wahr", gestand der Polizist.
    „Also", rief Lo Wen, sich erregend. „Und warum lässt man mich verhaften?" Er dämpfte seine Stimme wieder und fügte hinzu: „Ich habe das Opium nicht verkauft, um reich zu werden, ich habe es verkauft, weil wir in Muong Nan bald nichts mehr zu essen haben. Und man verhaftet mich! Warum?"
    Wieder versuchte der Beamte auszuweichen. „Es ist schlimm in den Bergen, wie?"
    Lo. Wen knurrte: „Es ist schlimmer, als du ahnst, Bruder!" Er überlegte, ob er dem Beamten erzählen sollte, wie das Geschäft mit Mister Warren verlief, aber er unterließ es. Er hatte sich Warren gegenüber schriftlich verpflichtet, niemals zu irgend jemandem ein Wort darüber zu sprechen. Das war zwar lange her, aber es galt sicher noch.
    Der Beamte zuckte die Schultern. Die Notlage der Bergbewohner war kein Geheimnis. „Haben Sie vielleicht Feinde?"
    Lo Wen schüttelte den Kopf. „Wer sollte mir schon übelwollen? Ich tue niemandem etwas Böses. Ich bin kein reicher Mann, und ich habe auch von dem Geschäft mit dem Opium nicht mehr als jeder andere im Dorf. Wir verkaufen unsere Ernten gemeinschaftlich. Täten wir das nicht schon seit langer Zeit, wären wir bereits verhungert."
    „Aber vielleicht gibt es doch jemanden, der Ihnen ein Bein stellen will", begann der Polizist noch einmal.
    Lo Wen sah ihn misstrauisch an. Diese Worte hatten so geklungen, als wüsste der Beamte mehr, als er auszusprechen wagte. „Wer hat denn der Polizei überhaupt gesagt, dass ich Opium verkaufe?" verlangte der Dorfvorsteher zu wissen.
    Der Polizist antwortete gleichmütig: „Sehen Sie, das ist bei uns so: Ein paar Leute treiben sich in der Stadt herum, und sie halten die Augen offen. Sie haben den Auftrag, zu melden, wenn jemand aus den Bergen Opium anbietet. Wir erfahren das dann."
    „Gut, die Polizei erfährt es. Warum greift sie nicht bei jedem anderen auch zu, sondern nur bei mir?"
    Der Beamte lächelte nachsichtig. „Die Polizei greift überhaupt nicht zu. Sie meldet es weiter."
    „An wen?"
    „Irgendwohin. Ich weiß nicht, an wen. Jedenfalls geschieht das routinemäßig."
    „Und dann?"
    „Nichts. Meist geschieht nichts. Nur in Ihrem Falle kam nach einigen Stunden die Anweisung: Lo Wen verhaften."
    „Von wem kam sie denn?" Lo Wen wollte erregt gestikulieren, dabei riß er unsanft die Hand des Polizisten hoch. Der übersah es lächelnd.
    Erfragte nach einer Pause: „Wissen Sie, was ein Telegraf ist?"
    „Ich habe nie einen gesehen."
    „Nun ja", erklärte der Beamte, „ein Telegraf, das ist ein elektrisches Instrument, damit kann man Nachrichten übermitteln, von Bangkok nach Chiengmai beispielsweise. Ein Apparat, durch den ein Band Papier läuft, und wenn eine Nachricht kommt, dann steht sie auf diesem Papier. In Ihrem Falle kam eine Nachricht. Aus Bangkok. ,Lo Wen verhaften' stand auf dem Papierband."
    „Das war alles?"
    Der Polizist nickte. „Gestern kam wieder eine Nachricht über den Telegrafen. Da stand: ,Lo Wen nach Bangkok überführen.' Das mache ich jetzt gerade."
    Lo Wen brütete lange vor sich hin, ehe er schließlich fragte: „Von wem kommt denn so eine Nachricht?"
    „Aus Bangkok. Von der Polizei dort."
    „Aber die kennen mich doch gar nicht!"
    Der Beamte zuckte die Schultern. „Es sieht aber so aus, als ob Sie doch jemand in Bangkok kennt. Der muss auch daran interessiert sein, dass man Sie verhaftet und dorthin bringt. Wenn es auf uns ankäme, wären Sie längst wieder in Muong Nan."
    Der Zug fuhr in Ayuthaya ein, der alten Königsstadt, die durch zwei Jahrhunderte das Zentrum des blühenden Reiches Siam gewesen war. Aber Lo Wen versuchte nicht, etwas von der Stadt zu sehen. Er hielt den Kopf gesenkt und dachte nach. Was. der Beamte gesagt hatte, klang eigenartig. Irgend jemand in Bangkok war benachrichtigt worden, dass ein gewisser Lo Wen in Chieng-mai Opium verkaufen wollte, und dieser Irgendjemand hatte veranlasst, dass er verhaftet wurde. Wer war das? Gab es bei der Polizei einen Mann, der ihm schaden wollte? Vielleicht einen, der ihn deshalb ausschaltete, damit er sich das Opium selbst aneignen konnte? Aber in Bangkok war niemand, der Lo Wen kannte. Nur Mister

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