Des Drachens grauer Atem
Ihnen erklären, warum ich es getan habe?"
„Sie mögen Ihre Gründe haben, doch die schaffen die Sache nicht aus der Welt. Aber, bitte, erklären Sie, wir haben Zeit, es kommt nicht auf ein paar Minuten an."
Er lehnte sich zurück und brannte eine Zigarre an. Er hätte Lo Wen eine Büchse eisgekühltes San-Miguel-Bier anbieten können, er tat das nicht, obwohl er wusste, wie gern die Leute aus den Bergen Bier tranken. Sollte Lo Wen erst einmal Angst haben, sollte er glauben, hier habe er keine Hilfe zu erwarten, danach konnte man immer noch durch eine solche Geste andeuten, dass man wieder zur Zusammenarbeit bereit war. Er darf niemals den Eindruck bekommen, dass wir auf ihn angewiesen sind. Er muss in dem Glauben gehalten werden, dass wir ihm einen Gefallen tun, dass wir ihm uneigennützig helfen, wofür er uns sein ganzes Leben lang dankbar sein muss. Deshalb hörte der Amerikaner nur mäßig interessiert zu, als Lo Wen schilderte, in welche Notlage Muong Nan geraten war, nachdem es sich auf Anraten Mister Warrens völlig auf den Anbau von Mohn eingestellt hatte.
Gewiss, man hatte große Mengen Rohopium geerntet, und der Handel mit den Schan-Leuten war in Schwung gekommen. Aber an dem verdiente man nichts, das war nur eine Gefälligkeit, die man Mister Warren erwies. Zuerst war das alles gut gegangen, bis die Lebensmittel knapp wurden und das Lampenöl. Man saß an den Abenden im Dunkeln, und schon bald musste man auf eine Mahlzeit am Tag verzichten. Ein wenig Gemüse bauten die Leute noch an, aber sie brauchen ihre Arbeitskraft, um die vielen Mohnfelder außerhalb des Dorfes zu bearbeiten, und so gingen die Erträge an Gemüse zurück. Man schlachtete die Hühner bis auf wenige, und man begann Trupps in die Wälder zu schicken, die essbare Früchte sammelten und versuchten, hin und wieder ein paar Affen zu schießen oder ein Wildschwein. Dazu musste man tagelang abwärts steigen, denn in den Bergen gab es diese Tiere nicht mehr. Die Trupps waren manchmal wochenlang unterwegs, und von dem, was sie schössen oder einsammelten, verzehrten sie den größten Teil während ihrer anstrengenden Streifzüge. Aus den Städten in der Ebene, in denen man früher Opium gegen Geld eingetauscht hatte, um die notwendigsten Dinge zu erwerben, war nichts mehr geholt worden, weil man alles Opium an Mister Warren lieferte. Daher verfügte niemand über Geld, um etwas zu kaufen.
„Wir haben einige Kinder verloren", sagte Lo Wen schließlich. „Früher zogen wir Mais. Wenig zwar, aber es reichte, um den kleinen Kindern zu helfen, wenn ihre Mütter sie nicht ernähren konnten. Ich weiß nicht, ob Ihnen bekannt ist, dass immer mehr unserer jungen Mütter nicht in der Lage sind, ihre Säuglinge zu stillen. Woran es liegt, weiß niemand bei uns. Zeitweise bekamen wir von Ihnen Büchsenmilch, ganz früher kauften wir Trockenmilch in Chiengmai. Das konnten wir in der letzten Zeit auch nicht mehr. Die Kinder starben. Wir konnten ihnen nur Brei aus Maniokmehl und Wasser geben, und der ernährte sie nicht."
Er sprach noch eine Weile, und Warren horchte ärgerlich auf, als Lo Wen berichtete, er habe des öfteren die Piloten gebeten, für Hilfe zu sorgen. Denn in Muong Nan habe man sich als mit den Amerikanern verbündet gefühlt und habe sich darauf verlassen, dass die Amerikaner helfen würden. Aber das sei nicht geschehen. Nun würden die Leute immer mürrischer, wenn die Rede auf die Amerikaner kam. Sie begannen ihnen zu misstrauen.
„Ich wusste mir keinen Rat mehr, Sir", beteuerte Lo Wen. „Eigentlich wollte ich verhindern, dass die Leute im Dorf noch verbitterter wurden. Ich wollte, dass alles weitergeht wie vorher, deshalb habe ich zugestimmt, die zehn Säcke Rohopium aus der eigenen Ernte einmal nicht an Sie zu liefern, sondern selbst zu verkaufen."
Der alte Mann entschuldigte sich, bat, flehte um Verständnis. Warren wusste das zu schätzen, aber er hütete sich, seine Befriedigung zu zeigen. Der Fehler liegt bei uns, eindeutig. Aber das geht ihn einen Dreck an. Er ist jetzt im Gefängnis, und er wird es uns zu danken haben, wenn man ihn wieder auf freien Fuß setzt. Das muss er begreifen. Vorher kommt er nicht heraus.
Als Lo Wens Redefluss ins Stocken geriet, da der Mann offenbar alles gesagt hatte, wozu es ihn drängte, unterbrach Warren ihn: „In Ordnung, Lo Wen. Ich habe nun gehört, was Sie drückt. Ich verzichte darauf, Ihnen zu sagen, was mich drückt. Ganz so einfach ist es nicht, Muong Nan mit allem zu versorgen,
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