Des Erdenmannes schwere Bürde
setzte Alex sie auf. Leporello watschelte hinaus, um Bescheid zu geben.
Der brausende Chor von Finch’han dal Vino erklang, und fünf Hokas kamen herein, die die Menschen, während sie auf das Eßzimmer zustolzierten, einen Augenblick lang völlig überwältigten.
„Was geht hier überhaupt vor?“ verlangte Terwilliger zu wissen. „Was hat diese Kostümiererei zu bedeuten … und … und dieses Operngetue, die Masken und …“
„Ach, sei doch nicht so ein verdammter Langweiler, Hardy“, sagte Doralene. Sie kicherte. „Es macht doch unheimlich viel Spaß.“
Terwilliger plusterte sich auf. „So, ein Langweiler bin ich also, was?“
„Nein … ja … Hab dich doch nicht so!“
„Ich führe mich so auf, wie es mir paßt“, sagte Terwilliger drohend. Er kippte einen weiteren Drink, packte die Flasche am Hals und marschierte ins Eßzimmer. Alex eskortierte Doralene und kam sich vor wie das Opfer eines Alptraums der Güteklasse A.
Unter glücklicheren Umständen wäre all das, was vor ihm aufgebaut war, ein wahrlich entzückender Anblick gewesen: die schneeweißen Tischtücher, das funkelnde Tafelsilber, die Kerzen und Flaschen; die farbenprächtig gekleideten Hokas, die auf ihren Plätzen saßen, ihre Instrumente schwenkten, heiter einen zur Brust nahmen und ein voll lieblicher Töne steckendes Auflied anstimmten. Die Robokellner flitzten umher, boten den Anwesenden unter der Leitung Leporellos kleine Appetitanreger an, und die Strahlen der untergehenden Sonne brachen sich glitzernd an den Plastikfensterscheiben. Es hätte wirklich ein beeindruckendes Abbild echter Lebensqualität werden können.
Terwilliger nahm am Kopfende der Tafel Platz und kippte mürrisch einen weiteren Schnaps. Doralene, die zu seiner Rechten saß, tat es ihm verdrossen gleich. Alex, zu Terwilligers Linken sitzend, stellte fest, daß das Teufelsgebräu der Hokas sie allmählich immer fester in Griff bekam. Schon jetzt waren ihr Geschmackssinn und ihre Urteilskraft dermaßen tief im Keller versunken, daß sie weder wußten was sie tranken, noch eine Ahnung hatten, was sonst noch auf sie zukam.
„Wollen wir nicht lieber zu diesem Wermut übergehen?“ schlug Alex vor.
„Nein“, sagte Terwilliger barsch.
„Äh, die Vorsuppe sieht ziemlich gut aus …“
„Will keine Vorsuppe.“
„Perbacco!“ quäkte der schwerttragende Hoka, der offenbar den Part Don Ottavios spielte. „Dieser Masetto ist ein Mann, der weiß was er will! Er möchte lieber trinken als essen. Zum Wohlsein, Ser Masetto!“
„Ah“, sagte ein anderer Hoka verständnisvoll, „wer würde nicht versuchen, seine Sorgen zu ersäufen, wenn die, die man zu ehelichen beabsichtigt, sehr bald den Verführungskünsten des gewissenlosen Schurken Don Giovanni erliegt … falls sie von dem Unhold nicht schon in die Niederungen der Fleischeslust hinabgezogen worden ist?“
„Was?“ bellte Terwilliger und zuckte auf dem Stuhl zusammen, als hätte ihn der Schlag getroffen. „Was hat das alles zu bedeuten?“
„Weiß ich auch nicht“, sagte Doralene vielleicht ein wenig zu voreilig.
Terwilligers Augen wurden zu Schlitzen, als er sie anstarrte. „Wer ist dieser Giovanni überhaupt?“ verlangte er zu wissen.
„Ah“, sagte Don Ottavio, „das ist hier die Frage!“ Er sah Alex mitten in das maskierte Gesicht. „Wißt Ihr, o unbekannter Herr, vielleicht wo wir diesen Schurken finden können, um ihn für seine Verbrechen zu bestrafen?“
„Nein“, sagte Alex schwächlich. „Er ist diesen Weg gegangen … Ich meine, ich habe keine Ahnung, wo er steckt.“
„Es würd’ uns sowieso nichts nützen“, sagte der bekümmert aussehende Hoka. „Der Mann, der Don Giovanni überlisten kann, ward noch nicht geboren. Ihr würdet nur Euren eigenen Tod erleiden, Don Ottavio.“
„Sei’s drum“, sagte Don Ottavio ernst. „Doch Rach’ hab ich geschworen.“ Er hüpfte auf die Sitzfläche seines Stuhls, stellte einen Fuß auf den Tisch, breitete dramatisch die Arme aus und begann mit Donnerstimme zu singen:
„Che giuramento, oh Dei!
Che giuramento, oh Dei!
Che bar bar o momento!
Tra cento affetti e cento …“
„Äh … ähem … Wissen Sie“, rief Alex, um den Gesang zu übertönen, „… dies sollte eigentlich ein offizielles Dinner werden, Terwilliger, und ich habe Ihnen noch gar nicht die Delegierten vorgestellt …“
„Ja“, sagte Terwilliger mit einem rabenschwarzen Blick und kippte einen weiteren Drink. „Es sollte eigentlich ein
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