Des Erdenmannes schwere Bürde
„Es sollte aber auf den Bermudas welchen geben. Willst du deine Beute noch polieren, bevor du sie vergräbst?“
„Laßt uns endlich zur Sache kommen“, piepste Long John Silver und knallte seine Krücke auf den Tisch. Er hatte sich das linke Bein hochgebunden. „Wir haben noch ’n paar Pläne zu schmieden, wenn wir morgen früh losschlagen wollen, verflucht und zugenäht!“
„Ich … äh … glaube … wir sollten lieber nicht so früh aufbrechen“, sagte Alex.
„Aha!“ schrie La Fontaine triumphierend. „Er ist also ein Feigling, wie? Ich will einen Besen fressen, wenn Sie würdig sind, ein Captain der Barbarenküste zu werden. Hick!“
Alex dachte flink nach. „Was hören meine vom Schießpulver verstopften Piratenohren?“ brüllte er zurück. „Ein Feigling soll ich sein? Dafür werde ich Ihre Leber zum Frühstück fressen, La Fontaine! Für was halten Sie mich überhaupt? Für einen elenden Pfeffersack? Lieber will ich madenzerfressenes Pökelfleisch verschlingen, als Ihnen zuzugestehen, der richtige Mann zu sein, der über Leute wie uns gebietet! – Wieso auch“, fügte er listig hinzu, „wo Sie doch nicht mal ’nen Bart haben.“
„Wa-wa-was hat das denn damit zu tun?“ fragte La Fontaine dümmlich und latschte genau in Alex’ Falle.
„Ich frage euch“, sagte Alex und schaute sich um, „was kann das für ’n Admiral sein, dessen Kinn nicht mal ’n einziges Barthaar ziert?“
„Aber Admirale müssen gar nicht unbedingt Bärte tragen“, protestierte La Fontaine.
„Henkt, ersäuft und vierteilt mich!“ warf nun Captain Flint ein. „Natürlich müssen Admirale einen Bart tragen. Ich dachte, das wüßte jeder!“ Am Tisch erhob sich plötzlich aufsässiges Gemurmel.
„Du hast recht“, sagte Anne Bonney. „Sicher weiß das jeder. Es gibt nur zwei unter uns, die fähig sind, die Flotte zu kommandieren: Captain Schwarzbart und Captain Grünbart!“
„Captain Schwarzbart ist genau der richtige Mann für eine solche Aufgabe“, sagte Alex zuvorkommend.
Der kleine Hoka sprang auf. „Ich will auf der Stelle krepieren“, sagte er hastig, „wenn ich jemals in meinem Leben so gerührt gewesen bin wie jetzt! Durchbohren Sie mich mit ’nem Enterhaken, Captain Grünbart, wenn ich nicht wirklich meine, daß ich Ihr Verhalten für ’ne noble Geste halte. Aber unter uns gesagt, ich kann die Ehre nicht annehmen. So stolz ich auch wäre, die Flotte zu befehligen … Ich muß doch sagen: Ehre wem Ehre gebührt, und Ihr Bart ist mindestens um drei Zoll länger als der meinige. Ich trete deswegen zu Ihren Gunsten zurück und wünsche Ihnen viel Erfolg.“
„Aber …“ stammelte Alex, der alles andere erwartet hatte als das.
„Ich werde auf der Stelle wahnsinnig!“ jammerte La Fontaine tränenüberströmt. „Man kann doch einen Mann nicht aufgrund seines Bartes auswählen! Ich meine … das ist doch … Das könnt ihr doch nicht machen!“
„La Fontaine!“ brüllte Captain Hook und schlug auf den Tisch. „Dies hier ist ’ne Ratsversammlung von Piraten und die hat nun mal nach den traditionellen und bewährten Regeln der Küstenräuber-Bruderschaft abzulaufen! Wenn du unbedingt zum Admiral gewählt werden wolltest, hättest du dir eben ’n Bart zulegen sollen bevor du auf die Insel kamst, dich zur Wahl zu stellen! Ich erkläre die Wahl hiermit für beendet.“
Hooks Abschlußworte schienen La Fontaine stark zu beeindrucken, denn er verfiel in dumpfes Schweigen. „Steward!“ rief Henry Morgan. „Die Krüge füllen! Wir wollen auf das Gelingen unseres Unternehmens anstoßen!“
Alex nahm verzagt den Krug an sich, den ihm jemand in die Hand drückte. In seinem Geist formte sich bereits eine vage Idee. Er kannte die Hokas gut genug, um zu wissen, daß er sie mit Argumenten nicht mehr dazu bewegen konnte, den geplanten Überfall zu verschieben. Was aber, fragte er sich, würden sie tun, wenn er sie jeglicher Führerschaft beraubte. Dazu mußte er zunächst einmal sich und La Fontaine außer Gefecht setzen. Er beugte sich vor und knallte dem Ex-Admiral die Hand auf die Schulter. „Na, komm, Kumpan, keine Feindschaft zwischen uns“, sagte er leutselig. „Laß uns zusammen einen heben; beim nächsten Mal kannst du dann wieder Admiral sein.“
La Fontaine nickte. Der Gedanke schien ihn wieder aufzumuntern, denn er kippte gleich noch einen halben Liter. „Ich mag Männer, die nicht nachtragend sind!“ rief Alex laut. „Steward, sofort nochmal nachfüllen, aber fix! Komm,
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