Des Kaisers Gespielin (German Edition)
vorgesungen hatte. Ich schloss meine Augen, holte tief Luft und die Töne entwanden sich schwer und voll meiner Kehle. Es war still geworden im Raum und als ich die Augen öffnete, waren alle Blicke auf mich gerichtet. Ein Paar tiefschwarzer Augen stachen aus der Menge hervor. Ich verlor mich darin, sah diese fremde faszinierende Frau an und all meine Gefühle, meine Sehnsucht, meine Unsicherheiten legte ich in die schwermütige Melodie, in die tieftraurigen Zeilen und schickte sie ihr als Geschenk. Unsere Blicke hielten einander fest umschlungen, kein Zwinkern unterbrach die Verbindung. Als ich merkte, wie ihr Gesicht weich wurde und mich anlächelte, da stiegen mir die Tränen in die Augen. Etwas Schöneres als dieses Lächeln hatte ich in meinem Leben nicht gesehen.
Ich bemerkte kaum, dass das Lied geendet hatte. Es war merkwürdig still im Raum. Mein von Tränen verhangener Blick löste sich von Ravenna, ein jeder hier im Raum schien in sich gekehrt.
Der Kaiser räusperte sich: „Meine liebe Dame Delila, Ihr habt untertrieben. So leise geht es nach dem Speisen selten zu. Nehmt es als Kompliment!“
Mit diesen Worten wandte er sich ab und fing mit einer schüchternen jungen Frau an seiner Seite ein Gespräch über Literatur an. Nach und nach nahmen auch die Anderen wieder ihre Unterhaltung auf. Damit war ich wohl entlassen.
Ich sah mich um und überlegte, was wohl als nächstes zu tun war, als mich eine feste langgliedrige Hand von hinten griff und mich in eine kleine Vertiefung des Raumes zog. Der durchsichtige Vorhang der Nische schloss sich und wir waren beinahe allein. Erschrocken blickte ich in glänzende schwarze Augen. Glänzend vor Tränen, wie ich betört feststellte. Ravenna!
„Das war wunderschön.“, sagte sie in einer unvergleichlich dunklen Stimme. „Wo hast du gelernt so zu singen?“
Ich zuckte nur verlegen mit den Schultern. Wie konnte ich ihr auch sagen, dass allein ihre Anwesenheit für das verantwortlich war, was sie gehört hatte. Ravenna lächelte kurz und setzte sich dann auf eine kleine Bank am Fenster. Ohne zu überlegen tat ich es ihr gleich. So saßen wir beieinander und ich warf ihr gelegentlich kleine Blicke aus den Augenwinkeln zu. Zu sprechen wagte ich nicht.
„Ich bin Ravenna.“, stellte sie sich ganz schlicht vor.
Ich weiß, sagte ich leise in mich hinein. Aus meinem Mund ertönte nur ein klägliches: „Lila!“
Ich war seltsam befangen in ihrer Gegenwart, nervös zupfte ich am Saum meines Kleides und überlegte krampfhaft, was ich mit meinen Händen anstellen sollte. Neben ihr kam ich mir so klein vor. Aber wann immer ich zu ihr aufsah, erkannte ich nichts als Güte und Freundlichkeit in ihrem schönen Gesicht.
Ich nahm all meinen Mut zusammen und fragte leise: „Warum hast du geweint?“
Mein Gegenüber runzelte nachdenklich ihre Stirn: „Aus Sehnsucht vielleicht? Aus Trauer, aus Einsamkeit... wer kann das schon so genau sagen? Es war ein sehr trauriges Lied.“
Meine Wangen brannten.
„Ich wollte niemanden traurig machen. Das tut mir leid.“
Ravenna lachte leise und legte ihre Hand auf meine. Wie ein Blitz durchfuhr mich ihre Berührung, ich starrte auf die Hand und versuchte mein Herz zu beruhigen. Mir war, als müsste ich mich gleich übergeben, mein Kopf war leer und vor hitzigem Fieber benommen. Ich konnte ihren Blick schmerzhaft auf mir spüren, sie ansehen konnte ich dagegen nicht. Meine Augen würden mich verraten.
„Ich sehe nicht viele freundliche Gesichter hier,“, sprach sie leise neben mir, „der Palast kann ein sehr einsamer Ort sein, weißt du!“
Ein Anflug von Traurigkeit schwang in ihrer dunklen Stimme mit.
„Möchtest du vielleicht morgen nach den Lehrstunden mit mir im Garten spazieren, kleine Lila? Es wäre schön, wenn wir... Freunde werde könnten.“
Jetzt musste ich sie doch anschauen. Ihr Gesicht verriet nichts darüber, was sie in mir sah, aber es sah mich vertrauensvoll an, die schwarzen Augen eindringlich, aber nicht fordernd. Wie kann ich ihr diese Bitte abschlagen?, jubelte es in mir. Nichts Schöneres konnte ich mir vorstellen, als einen Nachmittag lang neben dieser dunklen Schönheit zu verbringen, sie ansehen zu können, wann auch immer es mich danach gelüstete, ihrer Stimme zu lauschen. Überglücklich nickte ich ihr zu.
Sie drückte noch einmal kurz meine Hand, lächelte ihr unvergleichliches Lächeln und begab sich wieder zu den Anderen. Ich selbst war noch lange nicht in der Lage, mich zu erheben. Wie
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