Des Kaisers Gespielin
gekommen.... ich kann es gar nicht glauben, das ist alles meine Schuld! Aber du bist gekommen...“
„Line, Line...“, kam es tadelnd aus meinem Mund. „Was machst du nur für Unsinn? Hatten wir nicht darüber gesprochen, bevor ich gegangen bin? Weißt du schon, ob... du weißt schon... ob du ein Kind trägst?“
Reuevoll schüttelte sie ihren Kopf.
„Nein Lila, kein Kind und ich bin unendlich dankbar dafür. Ich habe wirklich nicht gewollt, dass du meinetwegen solche Strapazen auf dich nimmst.“
Sanft strich ich ihr übers Haar, wie ich es schon so viele Male getan hatte.
„Du hast es nicht leicht, kleine Schwester, und das tut mir leid. Ich wünschte wirklich, ich hätte mehr für dich tun können...“
Line lehnte sich an meine Schulter: „Ich weiß, Lila, und mir tut es auch leid, dass ich dir diesen Brief geschrieben habe. Ich hätte dich nicht drängen sollen. Bist du deshalb weggelaufen? Weil du Angst vor dem hattest, was darin angedeutet war? Weil ich diese unsägliche Hilfe erbeten habe? Das wollte ich nicht, wirklich nicht!“
Ihre aufrichtige Seelenqual besänftigte mich. Ich nahm sie bei den Schulter und sah ihr fest in die Augen.
„Nein Line, nicht weil ich Angst habe. Diese Angst habe ich dort wo ich bin längst verloren. Aber ich habe mir Sorgen gemacht um dich. Ich wollte sehen, wie es dir geht und ich wollte dir persönlich sagen, dass ich alles tun werde, was in meiner Macht steht, um dir zu verschaffen, was du brauchst, um Pen zu behalten.“
Meine Worte drangen offensichtlich nur sehr langsam in ihren Kopf, ihr Blick wurde ungläubig und dann endlich froh.
„Wirklich?“, fragte sie verlegen. „Es macht dir nichts aus?“
Mit einem liebevollen Lächeln schüttelte ich bekräftigend meinen Kopf.
„Nein, das tut es nicht. Ich habe viel gesehen, viel erfahren und ich glaube, es wird nicht so schlimm werden...“
Mit einem dankbaren Schluchzen warf sich Line in meine Arme und ließ sich von mir wie ein kleines Kind wiegen.
Mahnend fügte ich allerdings hinzu: „Ihr müsst euch trotzdem beherrschen, Line! Der Kaiser ist fort und ich weiß nicht, wann er zurückkehren wird. Bis dahin und länger darf dir nichts geschehen, ist das klar?“
Line nickte verständnisvoll: „Ich werde es versuchen. Es ist nur so schwer... Weißt du nicht etwas, was man dagegen tun kann? Gegen diese Sehnsucht und das Verlangen?“
Traurig schüttelte ich den Kopf und dachte an Ravenna. Nein, ich war wirklich nicht diejenige, welche die Überwindung von Verlangen propagieren konnte. Mein Leben im Palast war in dieser Hinsicht tatsächlich äußerst aufschlussreich gewesen. Mir waren viele Spielarten der Liebe bekannt, bei der man nicht Gefahr lief, ein Kind zu bekommen. Es war eine Sache, davon zu wissen, aber eine andere, meiner kleinen unschuldigen Schwester davon zu berichten.
“Es tut mir leid, Line, aber ich kann darüber einfach nicht mit dir reden. Es wäre zu... merkwürdig.“
Sie nickte verständnisvoll und schweigt.
„Lila?“, fragte sie leise. „Wie ist es dort?“
Ich wusste, was sie meinte.
„Es ist... anders.“ ich überlegte kurz. „Die Menschen, sie sind anders. Unbeschwerter irgendwie, aber trotzdem immer auf der Hut. Nicht dass du mich falsch verstehst, es geht dort sehr fröhlich zu. Es gibt dort Musik und Tanz und Gelächter. Aber irgendwie... jeder denkt an sich, an seine Zukunft, daran, wer einem irgendwann einmal hilfreich sein kann. Es ist anstrengend.“
„Das kann ich mir vorstellen. Und... und er?“
„Der Kaiser?“
Line nickte. Ihre Wangen brannten förmlich.
„Er ist... naja, er ist eben der Kaiser.“
„Magst du ihn?“
„Irgendwie schon. Er... hat seinen Schrecken verloren, weißt du?“
Line verstand nicht.
„Er ist also gut zu dir?“
„Er ist gut zu allen Mädchen. Irgendwie.“
„Und die Mädchen?“
„Oh die Mädchen... Sie sind... anders. Eine jede von ihnen. Manche sind richtige Biester, manche sind hochnäsig und manche... sind mir die besten Freunde geworden.“
Plötzlich fiel mir aber noch etwas ein.
„Du sagtest, es waren Leute aus dem Palast hier?“
Line nickte eifrig: „Ja, ein Mann und eine Frau. Der Mann ist sehr hübsch. Ich habe mich schon gefragt, ob du nicht vielleicht wegen ihm weggelaufen bist. Er war merkwürdig eindringlich an deinem Verbleib interessiert. Er war aber auch wirklich zu stattlich in seiner glänzenden Uniform....“
Line seufzte verträumt. Ich spürte, wie das Blut in meine Wangen stieg.
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