Des Kaisers Gespielin
schon, Henni. Bist du mir sehr böse? Dass ich weggelaufen bin?“
Er zögerte einen Moment und trat dann näher.
„Ich war... überrascht. Aber deine Schwester brauchte dich und du bist gekommen, das kann ich nicht verurteilen...“
Bedauernd ließ ich meinen Kopf hängen: „Das war wohl nicht die feinste Art, einfach so zu verschwinden, was? Ich wusste mir nicht anders zu helfen, aber es kommt nie wieder vor, versprochen!“
Er trat noch näher. Deutlich konnte ich die einladende Wärme seines Körpers spüren.
„Versprich nichts, was du nicht halten kannst, kleine Lila! Aber ratsam wäre es wirklich nicht. Es hat uns keine geringe Mühe gekostet, dich bei der Vorsteherin zu erklären.“
„Was habt ihr gesagt?“, fragte ich zögernd.
Henderley atmete kurz hörbar auf und erzählte: „Nun ja, einfach war es nicht. Deine Zimmergenossin kam des Nachts zu mir und erzählte unverständliches Zeug. Dass du verschwunden wärst und ob ich wüsste wohin? Ich wollte ihr nicht zu viel verraten von dem Brief und deiner Schwester. Aber ich hatte eine ziemlich genaue Ahnung davon, wohin du gegangen sein musstest... Ich kenne das Gefühl, wenn man seine kleine Schwester beschützen möchte...“
Verlegen nahm ich seine Hand. Ich hatte gar nicht daran gedacht, wie es für ihn gewesen sein musste, nach allem was er mit Nona erlebt hatte. Natürlich unterstellte er mir nur die edelsten Absichten und dafür war ich ihm unendlich dankbar, auch wenn ich seine hohe Meinung gar nicht verdient hatte. Eine Welle der Wärme durchflutete mich und ich verspürte das Gefühl, in seinen Armen versinken zu wollen. Wie einfach wäre doch die Welt, wenn mein einziger Wunsch wäre, in Hennis Umarmung zu verschwinden.
Sanft drückte er meine Hand und fuhr fort: „Ich habe ihr nur das Nötigste verraten und dann der Aufseherin noch einmal. Dass es einen Notfall in deiner Familie gegeben hat und dass du wie von Sinnen warst und sofort aufbrechen wolltest. Und... dass ich dir die Erlaubnis dazu erteilt habe. Du hättest sonst nicht zurückkommen können....“
Mir stiegen die Tränen in die Augen: „Ich danke dir, Henderley, von ganzem Herzen. Du bist solch ein guter Mensch, ich habe deine Freundschaft gar nicht verdient.“
Er trat noch ein Stück näher, so dass sich unsere Körper fast berührten und ganz sachte umfing er mich mit seinen Armen. Nie im Leben hatte ich mich kleiner gefühlt. Und sicherer!
„Ich bin nicht so gut, wie du denkst. Ich... habe es auch für mich getan, liebste Lila. Ich wollte dich wiedersehen und meine Hoffnung nähren, dass du mich irgendwann einmal lieben wirst.“
Lange stand ich unbewegt da und ließ mich von ihm umarmen, traurig über den Gedanken, dass seine Hoffnungen niemals erfüllt werden könnten. Er verstand nur zu gut. Ohne ein weiteres Wort gab er mich frei und verschwand im Dunkeln. Eine Weile stand ich noch verblüfft und reuevoll vor der Tür, bevor ich endlich in den belebten Schankraum eintrat. Niemand schenkte mir viel Beachtung, als ich mich durch das Getümmel wühlte und nach dem Wirt Ausschau hielt. Ich hätte Henderley fragen sollen in welchem Zimmer sie abgestiegen sind, dachte ich ärgerlich über meine Unachtsamkeit. Aber auf meine Frage deutete eines der Barmädchen nach oben und formte mit ihren Lippen eine drei. Ich schlüpfte dankbar nickend aus dem überfüllten Raum und ging die enge Stiege hinauf.
Zimmer drei oder ein Zimmer im dritten Stock? Ganz genau hatte ich es nicht verstanden, aber mir erschien die Anzahl meiner Möglichkeiten hinreichend beschränkt. Ich beschloss zuerst unter dem Dach nachzusehen. Es erschien mir einleuchtend, dass eine Gesandtschaft aus dem Palast die privatesten Zimmer bekam. Von dem Gang im dritten Stockwerk führten tatsächlich nur zwei Türen ab. Vorsichtig klopfte ich an die erste und lauschte, aber kein Ton verriet die Anwesenheit eines Gastes. Also weiter zu Tür Nummer zwei. Wieder klopfte ich leise und dieses Mal regte sich etwas. Leise Schritte näherten sich und dann öffnete eine sichtlich mitgenommene Ravenna fragend die Tür.
Es dauerte einen Moment, bis sie realisierte, wer da vor ihr stand. Mit einem erleichterten Aufschrei fiel sie mir um den Hals.
„Oh Lila! Meine Lila, du bist es... Es tut mir so leid, ich weiß gar nicht, was in mich gefahren ist... Bitte geh nie wieder von mir fort! Alles was du willst, aber verlass mich nicht!“
Zögernd erwiderte ich ihre Umarmung und war ganz überrascht über ihre
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