Des Koenigs Konterbande
Kind hatte Bolitho in Cornwall oft den alten Geschichten über die Schmuggler gelauscht. Im Gegensatz zu den berüchtigten Strandräubern, die Schiffe ins Verderben lockten, galten sie als ehrenwerte Gauner, die von den Reichen nahmen, um den Armen zu geben: fast als Volkshelden.
Aber der Dienst bei der Marine hatte Bolitho bald eines Besseren belehrt: Schmuggler unterschieden sich in Wirklichkeit nicht von den Strandhyänen, die Wracks ihrer Ladung beraubten und hilflosen Schiffbrüchigen die Kehlen durchschnitten. Er packte den Degengriff so fest, daß der Schmerz in seiner Faust ihm den Zorn zu zügeln half.
Er hörte eine Tür gehen und wandte sich der schlanken Gestalt zu, die im Nebenraum an einem Fenster stand.
Zuerst hielt er sie wegen ihres zierlichen Körperbaus für eine Frau. Auch die Stimme war sanft und ehrerbietig, wenn auch ohne jede Unterwürfigkeit. Doch es war ein junger Mann in hellbrauner Livree mit dunklen Paspeln an Aufschlägen und Manschetten. Dazu weiße Strümpfe und Schnallenschuhe – ein dezentes Abbild der in London üblichen Dienertracht.
»Wenn Sie mir folgen würden, Kapitän Bolitho?«
Die weiße Lockenperücke betonte sein hübsches Gesicht und die Augen, die wahrscheinlich haselnußbraun waren, aber im gefilterten Sonnenlicht jetzt grünlich schimmerten wie die einer lauernden Katze.
Sie durchschritten das große Empfangszimmer und betraten eine anschließende Bibliothek. Im Kamin zwischen den bis zur Decke reichenden Bücherregalen brannte ein Feuer, obwohl der Abend recht warm war. Über dem Sims hing das riesige Gemälde irgendeiner vergessenen Seeschlacht. Tische, Stühle und ein wuchtiger Schreibtisch standen mit strategischem Geschick im Raum verteilt. Bolitho hatte den Eindruck, daß alles wichtige Mobiliar des Hauses in diesem Zimmer konzentriert war.
Der junge Diener – falls dies seine Funktion war – trat zum Kamin und stocherte in den brennenden Holzscheiten.
Vom Hausherrn keine Spur. »Er kommt gleich, Sir.« Der Bedienstete wandte sich um und stellte sich wie eine Schildwache neben den Kamin, beide Hände auf dem Rücken.
Dann öffnete sich eine zweite, kleinere Tür, und der Kommodore ging mit raschen Schritten auf seinen Schreibtisch zu, wo er sich ohne einen Blick auf seinen Besucher niederließ. Dort rückte er sich sorgsam zurecht, mit anscheinend langjähriger Übung.
Er war nur ein paar Jahre älter, aber sie mußten grausam zu Hoblyn gewesen sein. Sein Gesicht war tief gefurcht und vernarbt, und er hielt den Kopf so schräg, als leide er immer noch Schmerzen. Sein linker Arm lag auf dem Tisch und trug statt der Hand einen weißen Fausthandschuh, um die entstellende Verwundung zu verbergen.
»Freut mich, Sie zu sehen, Bolitho.« Hoblyn sprach kurz und abgehackt. »Nehmen Sie bitte
dort
Platz, dann kann ich Sie besser sehen.«
Bolitho gehorchte, während ihm auffiel, daß Hoblyns Haar völlig ergraut und unmodern lang war, wahrscheinlich um die Narben zu verdecken, die über dem goldbetreßten Kragen manchmal sichtbar wurden.
Der Livrierte trat lautlos heran und goß Wein aus einer Kristallkaraffe in zwei wertvolle Pokale.
»Französischer Rotwein.« Hoblyns Augen waren braun, aber ohne jede Wärme. »Hoffe, er schmeckt Ihnen.« Mit der Rechten machte er eine unbestimmte Bewegung. »Wir speisen später.« Das klang wie ein Befehl.
Schweigend tranken sie, während das Abendrot vor den Fenstern langsam verblaßte. Hoblyn sah dem Jungen beim Nachfüllen der Gläser zu.
»Sie hatten mehr Glück als die meisten«, begann Hoblyn schließlich. »Zwei Schiffe seit jenem blutigen Krieg, während …« Aber er unterbrach sich und starrte das Schlachtengemälde an.
Da begriff Bolitho: Es stellte Hoblyns letztes Gefecht dar, in dem er seine
Leonidas
verloren hatte und so furchtbar entstellt worden war.
Hoblyn fuhr fort: »Ich hörte von Ihren – äh, Schwierigkeiten in der Großen Südsee.« Sein Blick blieb starr. »Es hieß, sie sei eine bewundernswürdige Frau gewesen. Tut mir leid für Sie.«
Bolitho zwang sich zur Ruhe. »Was meine Stellung hier betrifft…«
Hoblyns verkrüppelte Hand hob sich und fiel wieder auf die Tischplatte zurück. »Eins nach dem ändern.« Abrupt wechselte er das Thema. »So also benutzt man uns, wie?
Sind wir nur noch traurige Relikte, wir beide?« Er erwartete keine Antwort. »Manchmal überkommt mich Verbitterung, aber dann muß ich an die Kameraden denken, die alles hingaben, selbst ihr Leben, und gar nichts dafür
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