Des Koenigs Konterbande
Schritt nach vorn, doch in diesem Augenblick rollte sich der Seemann auf die Seite und grapschte nach seiner weggeworfenen Pistole.
Der Schuß krachte, das Mündungsfeuer erhellte blitzartig eine Szene wie aus einem Alptraum. Dann fiel die Pistole abermals zu Boden, noch umklammert von der Hand des Opfers, die ein Entermesser mit einem einzigen Hieb im Gelenk abgetrennt hatte. Als der Seemann mit einem letzten schrillen Aufschrei umsank, hob der Mörder das große Messer zum zweiten Mal und hackte mit solcher Wucht zu, daß die Schneide durch den Körper tief in den steinigen Waldboden fuhr.
In der plötzlichen Stille war nur das gedämpfte Stampfen der unruhig gewordenen Pferde zu hören. In der Ferne bellte ein Hund, Räder knirschten irgendwo auf einem Feldweg.
Die schattenhafte Gestalt beugte sich über die Leiche, riß das Entermesser heraus und wischte es am Gras ab. Die Hand mit der Pistole blieb unbeachtet liegen.
Der Mörder in der Kutsche starrte Allday an. »Auch deine Stunde kommt noch«, sagte er ausdruckslos. Und zu Fenwick: »Dort, seine Geldbörse, die können Sie bestimmt am Spieltisch gut brauchen.« Verachtung lag in seinem Ton. »In einer Stunde können Sie Alarm schlagen. Wer weiß, vielleicht hat jemand den Schuß dieses Narren gehört.«
Fenwick konnte nicht antworten, er lehnte an einem Baumstamm und übergab sich. »Ich würde ja auch ihn beseitigen «, murmelte der Mann, »aber …« Schweigend sah er zu, wie Fenwick seine Waffen und den kleinen Geldbeutel aufhob. »Wir machen uns jetzt besser auf den Weg.« Das klang, als grinse er. »Das Entermesser kannst du behalten – Spencer. Du wirst es brauchen.«
Nach einem letzten Blick auf das leblose Opfer – würde Fenwick das nächste sein? – wandte Allday sich ab und folgte den anderen, die schon zwischen den Bäumen verschwunden waren.
Er hatte schon öfter Menschen töten müssen, in der Hitze des Gefechts, zu seiner oder anderer Verteidigung und im Zorn. Weshalb also fühlte er sich jetzt so elend? Hätte er den Seemann umgebracht, um seine Tarnung aufrecht zu halten, wenn ihm der andere nicht zuvorgekommen wäre?
Er wußte es nicht. Es schien ihm auch klüger, die Antwort auf diese Frage zu verschieben, bis die ärgste Gefahr vorbei war.
Wie schnell doch alles gegangen war! Bald würde der Midshipman Alarm schlagen und nach angemessener Suche den Leichnam finden: einen gewöhnlichen Seemann, der von dem flüchtigen Gefangenen namens Spencer ermordet worden war.
Der unbekannte Drahtzieher in der Kutsche fiel ihm wieder ein. Falls er es schaffte, seinen Namen zu erfahren … Doch dann schüttelte er diesen Gedanken ab. Eins nach dem anderen, ermahnte er sich. Jedenfalls war er noch am Leben, auch wenn dieses Leben nun an einem seidenen Faden hing, weil er Mitwisser der Schattenbrüder geworden war.
In guter Gesellschaft
Leutnant Charles Queely polterte den Niedergang zu
Wakefuls
Kajüte hinab und stieß nach kurzem Zögern die Tür auf.
Drinnen saß Bolitho am Tisch und las im Logbuch, das Kinn auf die Hand gestützt.
Er blickte auf. »Guten Morgen, Mr. Queely.«
Queely verbarg seine Überraschung, daß Bolitho nicht schlief, sondern immer noch Bücher und Karten studierte.
»Ich – ich bitte um Verzeihung, Sir«, sagte er. »Ich wollte Sie nur verständigen, daß es schon hell wird.« Hastig blickte er sich in der Kajüte um, als erwarte er eine Veränderung.
Bolitho reckte sich. »Ein Schluck Kaffee wäre mir jetzt sehr willkommen. Wenn Sie dafür sorgen könnten?« Er erriet, was Queely dachte, und wunderte sich selbst darüber, daß er nicht müde war. Denn er hatte sich keinen Moment der Ruhe gegönnt und sich sofort, als man auf
Telemachus
den anderen Kutter gesichtet hatte, zu Queelys Schiff pullen lassen.
Gewöhnlich konnte der Leutnant seine Gefühle recht gut verbergen; trotz seiner Jugend wurde er den Aufgaben eines Kommandanten durchaus gerecht. Aber Bolithos Ankunft und der Anblick der vom Gefecht gezeichneten
Telemachus
hatten ihn doch aus dem Gleichgewicht gebracht.
»Muß sie in die Werft, Sir?« hatte er Bolitho gefragt.
»Wahrscheinlich nicht. Ich habe Leutnant Paice davon überzeugt, daß es für die Besatzung besser ist, die Schäden unterwegs auf See zu beheben, auch wenn er wegen der Verluste knapp an Leuten ist. Das schweißt sie wieder zu einem Team zusammen. Außerdem ist Arbeit das beste Mittel gegen Trauer und Aufsässigkeit.«
Queely, der seinen Schock über die Schäden
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