Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
demografischen Entwicklung zu einer spürbaren |226| Diskrepanz zwischen der Nachfrage nach Produkten von Unternehmen aus Deutschland und dem Angebot an Arbeit, diese zu produzieren.
Dieser Befund steht der weit verbreiteten Ansicht entgegen, eine Wirtschaft mit einem ausgeprägten Alterungsprozess müsse
zwangsläufig schrumpfen. Abgesehen davon, dass der Alterungsprozess selbst neue Arten von Nachfrage und Angeboten an altersspezifischen
Produkten erzeugt, gibt es eben noch die Auslandsnachfrage. Das Ausland als Ganzes gesehen altert langsamer als Deutschland,
daher kann man dort die ohnehin zweifelhaften alterungsbedingten Stagnationsprozesse in weniger starkem Ausmaß erwarten. Etwas
anderes ist aber viel wichtiger: Die Nachfrage aus den aufstrebenden Marktwirtschaften insbesondere nach Investitionsgütern,
welche die deutsche Wirtschaft in hohem Maß exportiert, wird auf absehbare Zeit noch sehr dynamisch sein. Der Schrumpfungsprozess
ist also nicht zwangsläufig, denn die Absatzmärkte verschwinden ja nicht einfach so.
Wie man Beschäftigungsreserven mobilisiert
Allerdings stellt sich die Frage, wie diese Produkte mit einer abnehmenden Erwerbsbevölkerung hergestellt werden können. Der
erste Vorschlag, der an dieser Stelle meist kommt, lautet: Zuwanderung. Bis zu 500 000 gezielt ausgewählte Zuwanderer werden
von Migrationsforschern gefordert. Das aber ist eine völlige Illusion, denn dafür müsste erst einmal der Trend zur Abwanderung
gedreht werden. Man müsste die gesuchten Fachkräfte finden – und deren Familienangehörigen würden sicherlich auch einreisen
wollen. Es dürfte sich also alles in allem um eine Zuwanderung von mehreren Millionen Menschen handeln. Man sollte nicht darauf
setzen, dass all dies geschieht.
Hinzu kommt, dass sich auch andere Länder, die sich in einer ähnlichen Situation wie Deutschland befinden, um genau die gleichen
Einwanderer bemühen dürften. Nichts spricht dagegen, sich um verstärkte |227| Zuwanderung zu bemühen, doch wer sich davon die Lösung des Arbeitskräfteproblems verspricht, hat wohl keinen Sinn für die
Realität. Damit bleiben nur zwei Alternativen. Entweder die Unternehmen wandern aus, oder es werden massiv Beschäftigungsreserven
in Deutschland mobilisiert. Da Verlagern teuer und riskant ist, wird es wahrscheinlich auf eine Mischung aus beiden Möglichkeiten
hinauslaufen.
Was die Beschäftigungsreserven angeht, so wird eine Mobilisierung nur dann möglich sein, wenn die Löhne deutlich steigen.
Sie könnten sogar so stark steigen, dass sich die Umverteilung umkehrt und in Deutschland eine Ära der Lohnblüte beginnt.
Als Erstes dürfte das in Ostdeutschland zu spüren sein. Die Produktivität in der Privatwirtschaft ist dort mittlerweile so
hoch wie im Westen – die Löhne aber bei Weitem nicht. 63 Gleichzeitig beklagen die ostdeutschen Unternehmen besonders die Abwanderung der jungen Arbeitskräfte. Es gibt ein probates
Gegenmittel, vor dessen Nutzung die meisten Unternehmen derzeit noch zurückschrecken: höhere Löhne. Wenn sie wirklich die
Abwanderung stoppen wollen, werden sie letztendlich die gleichen Löhne wie im Westen zahlen müssen.
Wenn die Löhne steigen und zugleich auch immer mehr Arbeitsplätze angeboten werden, wird das zusätzliche Arbeitskräfte mobilisieren.
Teilzeitkräfte werden ihre Arbeitszeit ausdehnen. Menschen, die sich freiwillig oder unfreiwillig vom Arbeitsmarkt zurückgezogen
haben, werden wieder einsteigen wollen. Die zu erwartende Welle höherer Ostlöhne wird im Westen Spuren hinterlassen. Auch
dort wird ein Trend in Richtung höherer Löhne entstehen.
Ein (vorsichtig) optimistischer Blick in die Zukunft
Es ist also wahrscheinlich, dass sich in den kommenden Jahren, ausgehend von Ostdeutschland und befeuert von der hohen Auslandsnachfrage,
eine unerhoffte Trendwende vollzieht. Die Einkommen der Beschäftigten werden endlich wieder real zunehmen, die Kaufkraft |228| wird steigen. Und dann vermindern sich auch die Folgeprobleme der Ungleichheit: die Ungleichgewichte im Außenhandel und die
Risiken durch Vermögenszusammenballungen. Eine neue wirtschaftliche Ordnung wäre entstanden. Deutschland würde sein Wachstum
nicht mehr durch Exportüberschüsse erzielen, sondern durch eine kräftige Binnennachfrage, die nicht zuletzt durch Einkommen
generiert wird, das auf Exportmärkten erzielt wurde.
Anders als im Ancien Régime entstünde aber eine außenwirtschaftlich
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