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Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Titel: Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav A Horn
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Mindestlohns
     keine großartigen Auswirkungen auf die Beschäftigung hat. Die vorliegenden Studien kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
     Die einen zeigen positive, die anderen negative Effekte. Allen gemeinsam ist, dass die nachgewiesenen Beschäftigungseffekte
     nicht groß sind. Zu diesem Ergebnis kommt sogar der Sachverständigenrat, der ansonsten die Einführung von Mindestlöhnen ablehnt. 61 Wirtschaftspolitisch bedeutet das: Nichts ist gerechtfertigt – weder die Hoffnungen der einen, durch Mindestlöhne ließe sich
     infolge höherer Kaufkraft die Beschäftigung steigern, noch die Befürchtungen der anderen, Mindestlöhne |220| würden Beschäftigung, besonders im Bereich niedriger Qualifikationen, vernichten. Aber was hätte man dann davon?
    Was sich bei der Einführung von Mindestlöhnen als besonders positiv herausstellt, ist, dass die Einkommen derjenigen, die
     Mindestlöhne erhalten, nach und nach steigen. Das geht in Teilen zulasten der Gewinne der entsprechenden Unternehmen; teilweise
     erhöhen diese die Preise, sie belasten also die Kunden. Damit haben Mindestlöhne bezogen auf die Verteilungsfrage genau die
     gewünschte Wirkung. Sie verteilen die Rendite zulasten der Unternehmereinkommen und zugunsten der Arbeitnehmereinkommen um.
     Sie leisten also – wie gewünscht – einen Beitrag dazu, die Ungleichheit zu vermindern. Hinzu kommt ihre indirekte Wirkung
     auf die übrigen Löhne. Indem Mindestlöhne eine gesetzliche Untergrenze für Löhne fixieren, stärken sie die Verhandlungsposition
     der Gewerkschaften. Diese können daher vor allem im Niedriglohnbereich leichter höhere Lohnsteigerungen erzielen. Auf diesem
     Weg stoppen sie die permanente Umverteilung in Richtung Gewinneinkommen.
    Bleibt also das prinzipielle Argument gegen eine Einmischung des Staates in die Lohnbildung. Wünschenswert wäre das im Grunde
     schon. In der alten Bundesrepublik vor der Vereinigung, in der die Löhne durch die Tarifparteien, quasi auf Augenhöhe, festgelegt
     wurden, waren Mindestlöhne in der Tat überflüssig, da der allgemein gültige Tariflohn faktisch eine anerkannte Lohnuntergrenze
     bildete. Der Staat hätte in diesem Prozess nur stören können.
    Seit der Wiedervereinigung und den allgemeinen gesellschaftlichen Veränderungen der vergangenen beiden Jahrzehnte, die sowohl
     die Gewerkschaften als auch die Unternehmensverbände geschwächt haben, sind großflächige tariffreie Zonen der Lohnbildung
     entstanden. Das kann man sich wie eine unreglementierte Grauzone vorstellen. Im Ergebnis gibt es in weiten Bereichen, insbesondere
     in Ostdeutschland, keine Lohnuntergrenzen mehr. Die heile Tarifwelt der alten Bundesrepublik existiert nicht mehr. Sie ist
     auch so einfach nicht mehr zurückzuholen, selbst wenn die Gewerkschaften und auf der anderen Seite die Unternehmensverbände
     auf längere Sicht wieder an Stärke gewinnen.
    |221| Diese Tendenz wird noch einmal dadurch verstärkt, dass sich die Lohnbildung nunmehr im Kontext eines europäischen Binnenmarktes
     vollzieht. Aus europäischer Sicht ist die Reichweite von Tarifverträgen nochmals eingeschränkt. Daher kann die an sich gesamtwirtschaftliche
     Aufgabe nicht mehr allein den geschwächten Tarifparteien aufgebürdet werden. Schlussendlich ist die Wirtschaftspolitik in
     letzter Instanz für die gesamtwirtschaftliche Stabilität verantwortlich.
    Daraus ergibt sich eine oft völlig veränderte Machtbalance bei der Lohnbildung. Der einzelne Arbeitsuchende steht nun dem
     einzelnen Unternehmer oder Unternehmen bei der Aushandlung des Lohns gegenüber. Wenn man nicht gerade ein gesuchter Spezialist
     ist, zieht der einzelne Arbeitnehmer dabei in Zeiten der Arbeitslosigkeit immer den Kürzeren. Er wird so ziemlich jedem Lohn
     zustimmen, nur um die Arbeit zu bekommen und nicht arbeitslos zu bleiben oder zu werden. Das gibt den Arbeitgebern eine große
     Macht, vor allem in Branchen oder Berufen, in denen die Auswahl an Bewerbern groß ist. Sie können den Lohn sehr weit nach
     unten drücken. Selbst dort, wo es Tarifverträge gibt, wie zum Beispiel im Friseurgewerbe in Ostdeutschland, ist die Lohnhöhe
     teilweise beschämend niedrig. Nicht umsonst fahren polnische Arbeitsuchende mittlerweile durch Deutschland durch, um sich
     erheblich besser bezahlte Arbeit im europäischen Ausland zu suchen. Dort gibt es dann auch Mindestlöhne. Darauf kann unser
     Land nicht stolz sein.
    Der Druck auf die Löhne speist sich zudem aus den

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