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Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert

Titel: Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gustav A Horn
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Kommune
    Deutschland hat ein institutionelles Problem mit der Konjunkturpolitik. Prinzipiell liegt die konjunkturpolitische Kompetenz
     bei der |241| Bundesregierung. Diese Kompetenz wird aber auf zweierlei Art eingeengt. Zum einen geschieht das regional im Hinblick auf die
     Investitionen. Das Gros der öffentlichen Investitionen wird von den Kommunen durchgeführt. Sie und nicht der Bund entscheiden
     damit im Kern über den Erfolg oder Misserfolg von Investitionsprogrammen. Die zweite Beschränkung ergibt sich auf der supranationalen
     Ebene durch die EU. Man denke nur an die haushaltspolitischen Beschränkungen durch den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Außerdem
     hängt die Wirksamkeit von Konjunkturprogrammen immer stärker davon ab, wie sich die anderen Mitgliedsstaaten der Währungsunion
     verhalten. Doch eins nach dem anderen.
    Derzeit sind die Kommunen ein massives Hindernis für eine effektive Konjunkturpolitik. Das hat mit ihren verschiedenen Funktionen
     zu tun. Einerseits sind sie der Hauptinvestor vonseiten der öffentlichen Hand. Sie haben also eine besondere Verantwortung,
     sowohl in konjunkturschwachen Phasen als auch in Zeiten überschäumender Dynamik. Andererseits unterliegen die Kommunen einer
     speziellen Restriktion: In ihren Haushalten darf es keine Defizite geben. Im Fall eines Konjunkturhochs, das eine restriktive
     Haushaltspolitik erfordert, schränkt das den Handlungsspielraum der Kommune nicht ein. Im Gegenteil – dann sind Haushaltsüberschüsse
     ja erwünscht. In einem konjunkturellen Tief mit wegbrechenden Steuereinnahmen entsteht jedoch ein Konflikt zwischen einer
     adäquaten Haushalts- und einer adäquaten Konjunkturpolitik. Der Haushaltspolitiker würde in einer solchen Phase die Ausgaben,
     darunter die für Investitionen, kürzen, um den Haushalt angesichts fallender Steuereinnahmen auszugleichen. Der Konjunkturpolitiker
     würde das genaue Gegenteil tun: die Ausgaben, vor allem die Investitionen, erhöhen, um die Konjunktur zu beleben.
    Da die erste Anforderung rechtlich bindend ist, wird sie im Zweifel erfüllt. So haben Kommunen während der Stagnation am Beginn
     des Jahrzehnts eine stark prozyklische Politik betreiben müssen, die die Stagnation verlängert hat. Das hat die damals ohnehin
     zaghaften Versuche des Bundes, eine antizyklische Politik durchzuführen, konterkariert. |242| In der jüngsten Krise hat man versucht, diesen Effekt zu verhindern, indem der Bund unter der notwendigen Einschaltung der
     Länder Investitionsmittel an die Kommunen »durchgereicht« hat. Das war sicherlich ein sehr komplizierter und schwieriger Prozess.
     Die Mittel müssen zunächst an die Länder gehen, die sie dann erst an die Kommunen weitergeben. Es gehört nicht viel Fantasie
     dazu, sich vorzustellen, was dann passiert ist. Manche Länder werden im Zuge dieses Prozesses ihre eigenen Interessen, die
     nichts mit der Bekämpfung von Konjunkturkrisen zu tun haben, ins Spiel gebracht haben. Das mindert den Effekt konjunkturpolitischer
     Maßnahmen, da zusätzlich Geld aufgebracht werden muss, um Länderinteressen zu befriedigen.
    Das Defizitverbot entwertet zudem Steuersenkungen als konjunkturpolitisches Instrument. Sie führen zu automatischen Einnahmeausfällen,
     und das nicht nur – wie erwünscht – beim Bund, sondern über den Beteiligungsschlüssel auch bei den Kommunen. Wegen des Defizitverbots
     müssen die Kommunen daher kompensierende Einsparungen vornehmen, die die Konjunktur belasten und damit den positiven Effekt
     der Steuersenkungen teilweise aufheben. So geschehen auch in der jüngsten Krise, als die Steuersenkungen im Rahmen des zweiten
     Konjunkturpakets dessen positive Wirkung auf kommunaler Ebene um rund ein Drittel reduzierten. 64
    Dieses institutionelle Hindernis für eine effektive Konjunkturpolitik sollte man in Zukunft überwinden. Dazu muss die Finanzierungsbasis
     der Kommunen grundlegend verändert werden. Es gibt zwei Optionen. Erstens: Man könnte das Defizitverbot aufheben. Dann müssten
     die Kommunen in Krisenzeiten nicht auf die geringeren Steuereinnahmen reagieren, und der Zwang zum prozyklischen Verhalten
     entfiele. Der Vorteil dieser Regelung: Sie ist technisch relativ einfach zu erreichen und es bedarf keiner weiteren Änderungen.
     Der gravierende Nachteil: Auf diese Weise würden möglicherweise die Schleusen für eine immer tiefere Verschuldung der Kommunen
     auch in konjunkturell guten Zeiten geöffnet. Das würde sie auf Dauer

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