Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
dieser Art von Wertpapieren werden mehrere Wertpapiere gebündelt; deshalb nennt man sie strukturiert.
Sinn der Strukturierung ist es eigentlich, Risiken zu verringern. Indem man riskante Papiere mit weniger riskanten verknüpft,
so die Überlegung, sinkt das gesamte Risiko.
Die Wahrscheinlichkeit eines kompletten Ausfalls soll mit dem Bündeln der Papiere deutlich vermindert werden, wenn der hochriskante
Anteil entsprechend gering ist. Er kann sogar so stark gesenkt werden, dass das strukturierte Papier die höchste Bewertung
von Ratingagenturen – AAA – erhält. Geschieht das, wird das Restrisiko, das durch den riskanten Inhalt des Wertpapiers begründet
wird, faktisch mit null bewertet. Es verschwindet quasi. Das hat den »Vorteil«, dass ein solches, als sehr sicher eingeschätztes
Papier Käufern angeboten werden kann, die nur als sicher bewertete Finanzmarktpapiere erwerben können oder wollen. Die Zahl
der potenziellen Käufer erhöht sich jedenfalls sehr stark. Das hat positive Folgen für den Kurs des Papiers und folglich für
die Erlöse desjenigen, der es auflegt. Wie hoch das Risiko wirklich ist, weiß vor dem Hintergrund der fundamentalen Unsicherheit
ohnehin keiner. Der Schöpfer des Papiers kennt dessen Zusammensetzung aber natürlich am besten und kann daher ein erheblich
fundierteres Urteil über dessen Risikogehalt abgeben als der Käufer. Dieser übernimmt damit, im Vertrauen auf die korrekte
Bewertung durch die Ratingagenturen, de facto ein zusätzliches Maß an Unsicherheit.
Man könnte all dies als mikroökonomische Risiken und entsprechendes Risikoverhalten auf den Finanzmärkten abtun. Das wäre
auch korrekt, wenn das, was sich dort abspielt, nur Auswirkungen auf die Akteure an den Finanzmärkten hätte. Doch nun ist
der Finanzmarkt besonders eng mit allen übrigen Märkten verzahnt. Sie sind wiederum unmittelbar verbunden mit Unternehmen
und privaten |87| Haushalten, deren Ersparnisse auf den Finanzmarkt fließen und deren Kredite auf diesem Markt finanziert werden. Das Gleiche
gilt für den Staat. Daher beeinflussen die Transaktionen auf den Finanzmärkten die Einkommens- und Vermögenslage des privaten
und staatlichen Sektors ganz entscheidend. Eine Krise auf den Finanzmärkten spiegelt sich also zwangsläufig in den Einkommen
und Vermögen der privaten Haushalte und des Staates wider. Es ist also auch gesamtwirtschaftlich bedeutsam, ob und wie Finanzmärkte
funktionieren.
Wenn man sich all das einmal in Ruhe anschaut – die geschilderte Unsicherheit und die daraus resultierenden Verhaltensweisen
–, dann besteht ein berechtigter Grund zur Sorge. Wenn die Kurs- und Preisbildung nicht das Ergebnis kühlen und rationalen
Überlegens sein kann, sondern sehr stark von Emotionen und von »Glaubens akten « geprägt ist, dann sind auch merkwürdige und irrationale Ergebnisse nicht auszuschließen. In seiner Untersuchung über die
Preisbildung auf den Finanzmärkten kommt Andrew Smithers zu dem Resultat, dass Finanzmärkte entgegen der allgemeinen Lehrmeinung
(von vor der Krise) nicht effizient sind. 29 Anhand seiner Langzeitstudien über Aktienkurse zeigt er, dass die Akteure auf den Finanzmärkten nur sehr langfristig einen
Kurs finden, den sie, wenn sie effizient wären, sofort gefunden hätten. Die Märkte erkennen also den zu einem Zeitpunkt »richtigen«
Preis, der den tatsächlichen Vermögenswert des Wertpapiers widerspiegelt, nicht sofort, selbst wenn alle hierfür notwendigen
Informationen vorliegen. Zu sehr trüben die Emotionen das Urteil, als dass die Märkte rasch zu diesem Kurs hin konvergieren.
Die unmittelbare Schlussfolgerung aus dieser Analyse: Es kann gravierende Übersteigerungen und tiefe Einbrüche auf den Finanzmärkten
geben. Im ersten Fall haben wir es mit der Folge einer übersteigerten Euphorie zu tun, im zweiten mit der Konsequenz eines
tiefen Pessimismus.
Dramatische Kursbewegungen auf den Finanzmärkten tangieren die Gesamtwirtschaft beträchtlich. Einbrüche vernichten Einkommen
und Vermögen sowohl von Unternehmen als auch von Privathaushalten, |88| Boomphasen lassen sie rasant steigen. Vor allem aber bestimmen Kursbewegungen die Finanzierungsbedingungen für Unternehmen.
In Zeiten großer Euphorie ist es für ein Unternehmen leicht, durch Ausgabe neuer Aktien sein Eigenkapital zu erhöhen und damit
zum Beispiel Mittel für zusätzliche Investitionen zu gewinnen. Ebenso einfach ist es, dafür
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