Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Finanzmarkt entstehenden Schäden nicht lebensbedrohlich sind (zumindest nicht unmittelbar 12* ) und dass man sie schneller beheben kann. Es sollte uns jedoch beunruhigen, dass man Finanzmärkte während des vergangenen Jahrzehnts für eine sichere und immer sicherer werdende Technologie gehalten hat – folglich wurden
die Vorkehrungen gegen Unfälle im Laufe der Zeit reduziert. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit von Schäden. Die letzte unbeachtete
Warnung in dieser Hinsicht kam 2001, als die Internet-Aktienblase platzte und die Weltwirtschaft in eine Rezession stürzte.
Leider wurde diese Warnung nicht beachtet. Die Risiken konnten sich also ungehindert weiter entfalten. Und das blieb nicht
ohne Folgen.
Die brisante Mischung für die Krise
Nicht Argumente ändern Lehrmeinungen, sondern Ereignisse. Diese Binsenweisheit erweist sich hoffentlich auch nach der Finanzmarktkrise |95| als richtig. Diese Krise offenbarte eines ganz deutlich: Was für eine brisante Mischung hatte sich in einer Ära herausgebildet,
die man in Zukunft wohl als eine Phase naiver Marktgläubigkeit sehen dürfte! Das kaum reflektierte Vertrauen in die Gerechtigkeit
und Produktivkraft von Ungleichheit hatte Folgen für die Politik. Sie nahm das Auseinanderklaffen der Einkommen und Vermögen
nicht nur hin – es wurde sogar als Voraussetzung für eine positive Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung angesehen. Den
Reichtum zu fördern, so die Überlegung, sollte letztlich auch breiten Bevölkerungsschichten zugute kommen. Nur so konnten
genug Investitionen in neue Arbeitsplätze entstehen.
Was sich wirklich abspielte, sah ganz anders aus. Das angehäufte Kapital wurde in zuvor unvorstellbarem Ausmaß auf den Finanzmärkten
vernichtet. Die Akteure glaubten auch, dass sie, aufgrund einzelwirtschaftlich optimaler Entscheidungen, alle systematischen
wirtschaftlichen Beziehungen kannten – eine klare Selbstüberschätzung. Die den Märkten eigene fundamentale Unsicherheit wurde
nicht gesehen. Das führte dazu, dass regulatorische Beschränkungen vor allem auf den Finanz- und Arbeitsmärkten massiv abgebaut
wurden. Man wollte so ihre vermeintlich bremsende Wirkung auf das Marktgeschehen aufheben. Die Folgen waren verheerend, denn
damit wurde das Einfallstor für »Panik durch Unsicherheit« weit geöffnet. Vor allem aber erwiesen sich Ungleichheit und Unsicherheit
als ein Kombinationssprengstoff, dessen Wirkungen nicht zu überschätzen sind.
Die schrecklichen zwei: Ungleichheit und Unsicherheit
Die fatale Kombinationswirkung entsteht durch das Zusammenspiel von unterschiedlichen wirtschaftlichen Möglichkeiten und wechselnden
Emotionen. Die Möglichkeiten werden durch die Einkommen und die Vermögen definiert, zu den Emotionen zählen Euphorie und Risikobereitschaft
bis hin zur Risikosucht auf der einen Seite und |96| Panik und Sicherheitsstreben auf der anderen Seite. Haushalte mit hohem Einkommen und Vermögen verfügen über ein breites Spektrum
wirtschaftlicher Möglichkeiten. Sie können ihre Einkommen je nach Mentalität für alles ausgeben – vom täglichen Bedarf bis
hin zum Luxusgut. Sie können es aber auch sparen und am Finanzmarkt anlegen.
Erfahrungsgemäß nimmt das Engagement auf dem Finanzmarkt mit der Höhe der Einkommen zu. Dabei steigt oft auch der Appetit
nach höheren Renditen und riskanteren Anlagen. So entstehen Klumpenrisiken. Wer ein hohes Einkommen hat, ist in der Regel
auch ein potenzieller Nachfrager nach den verschiedensten Finanzmarktprodukten. Das müssen nicht einmal besonders komplexe
Wertpapiere sein; es kann sich auch um Aktien, Fondsanteile, Anleihen vom Staat oder von Unternehmen handeln. In jedem Fall
fließt ein nicht unerheblicher Teil des erzielten Einkommens immer wieder dem Finanzmarkt zu, stets in der Hoffnung, hohe
Renditen zu erzielen. Wie hoch die Renditeerwartungen sind, hängt vom wirtschaftlichen Umfeld ab. In Zeiten guter Konjunktur
werden die Erwartungen deutlich höher liegen und, falls sie sich realisieren, immer weiter nach oben angepasst. Dagegen werden
sie in schwachen wirtschaftlichen Phasen deutlich niedriger liegen, und, falls sie auch noch enttäuscht werden, immer weiter
nach unten gehen.
Im ersten Fall werden die Anleger, von ihrer Euphorie getrieben, immer mehr Geld am Markt platzieren, und auf der Suche nach
höheren Renditen werden sie – bewusst oder unbewusst – immer riskantere Anlageformen wählen. Das geht so
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