Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
binnen kurzer Zeit vernichtet. Und das alles nur aus einem Grund: weil man – irrtümlich – glaubte, Märkte seien sicher
und Ungleichheit sei ein Treibsatz für wirtschaftlichen Fortschritt. Doch nicht nur Reichtum wurde vernichtet, sondern auch
Arbeit und Arbeitsplätze. Viele verloren ihren Arbeitsplatz, und das auf der ganzen Welt.
Das Wirken dieser Spiralen konnte vor allem in den Jahren 2007 und 2008 bis in die erste Jahreshälfte 2009 hinein weltweit
geradezu exemplarisch beobachtet werden. Am Beginn standen die Abwärtsspiralen im Finanz- und Bankensektor; es folgte die
Realwirtschaft. Das Entstehen dieser Spiralen zeigt überdies deutlich die Instabilität der Märkte. Denn: Wären sie stabil,
gäbe es keine Spiralen. Außerdem zeigt sich darin der fundamentale Unterschied zwischen einzelwirtschaftlicher und gesamtwirtschaftlicher
Logik in großer Klarheit. Die einzelwirtschaftliche Logik führt exakt in diese sich selbst verstärkenden Abwärtsprozesse,
auch wenn die Absicht des Einzelnen das genaue Gegenteil ist. De Grauwe nennt dies zurückhaltend ein »Koordinationsproblem«.
Man könnte es auch den Unterschied zwischen Mikro- und Makroökonomie nennen. Dieser fundamentale Unterschied war in Politik
und ökonomischer Wissenschaft wohl in Vergessenheit geraten.
Dabei ist den Unternehmen und Banken ihr Verhalten im Grunde überhaupt nicht vorzuwerfen. Sie verhalten sich aus ihrer individuellen
Sicht völlig optimal, wenn sie in einer Paniksituation versuchen, zum Beispiel ihre Schulden möglichst schnell abzubauen.
Dieses Verhalten ist korrekt. Es entspricht voll und ganz einer unternehmerischen Funktion. Nicht korrekt ist hingegen, wie
Ökonomen und Medien dieses Verhalten einordnen.
Hier gibt es zwei Varianten. Entweder spricht man empört von einem Skandal oder alles ist vorbildlich. Für den Skandal sind
meistens die Medien zuständig. Die Argumentation, im Wesentlichen darauf ausgerichtet, hohe Quoten und Emotionen zu erzeugen,
ist denkbar schlicht und geht in etwa so: Da dieses unternehmerische Verhalten eine Abwärtsspirale erzeugt, ist es falsch.
Es schädigt |120| unsere Wirtschaft und so weiter. Dabei wird völlig vergessen, dass die Aufgabe des einzelnen Unternehmers nicht darin besteht,
die Wirtschaft zu retten. Er muss in erster Linie sein Unternehmen retten. Alles andere wäre reiner Selbstmord. Man stelle
sich nur vor, ein einzelnes Unternehmen würde sich, mitten in einer dicken Krise, aus ehrenhaften gesamtwirtschaftlichen Motiven
zum Beispiel dem allgemeinen Trend zu raschen Kostensenkungen widersetzen. Es wäre verloren, es wäre ein willkommenes Opfer
für die Konkurrenz, die natürlich durch ihre Kostensenkungen Wettbewerbsvorteile erlangt hätte – was gerade in einer allgemein
schwierigen wirtschaftlichen Lage besonders wertvoll ist. Der Gesamtwirtschaft wäre dann ein wenig geholfen, aber das eigene
Unternehmen ginge dabei verloren. Keine gute Bilanz für einen Unternehmer. Vorwürfe sind also völlig unangebracht.
Mindestens ebenso unangebracht ist aber die Darstellung dieses Verhaltens als wirtschaftspolitisches Vorbild. Diese Argumentation
verläuft in etwa so: Was gut ist für das einzelne Unternehmen, ist auch gut für die Gesamtwirtschaft. Viele Ökonomen sind
Anhänger der gängigen makroökonomischen Theorien, die den Unterschied zwischen der einzelwirtschaftlichen Ebene und der Gesamtwirtschaft
de facto nicht mehr kennen. In den Medien kommt meist der von der Krise betroffene Unternehmer zu Wort. Der erzählt, wie sich
die Krise auf seine Firma auswirkt und was er dagegen macht. Die Botschaft an den Leser oder Zuschauer lautet: Der Unternehmer
weiß, wie sich die Krise anfühlt, und er weiß, was man tun kann. Das Erste ist sicherlich richtig. Das Zweite jedoch nicht.
Denn wie die Abwärtsspiralen zeigen, führt unternehmerisch korrektes Verhalten die Gesamtwirtschaft immer tiefer in die Krise,
selbst wenn das einzelne Unternehmen überleben mag. Deswegen kann einzelwirtschaftlich sinnvolles Verhalten kein wirtschaftpolitisches
Vorbild sein. Eine Wirtschaftskrise ist eben nicht aus unternehmerischer Perspektive lösbar, sondern nur auf der Grundlage
einer gesamtwirtschaftlich orientierten Politik. Aber dazu später mehr. Ich wünsche mir sehr, dass diese zwangsläufig sehr
unterschiedlichen |121| Perspektiven zukünftig immer deutlich gemacht werden, damit eine Debatte jenseits von Skandalisierung und
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