Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Verklärung entstehen
kann.
Der Einbruch
Die Krise ergriff nach und nach alle Volkswirtschaften, die in den internationalen Handel integriert waren. Der Einbruch war
dramatisch und mit nichts vergleichbar. Einen solchen wirtschaftlichen Absturz innerhalb so kurzer Zeit hatte man noch nicht
gesehen; er ging weit über jede übliche Konjunkturkrise hinaus.
Das globale Finanzsystem und der Welthandel waren die Infektionswege, denen sich letztlich keine Volkswirtschaft entziehen
konnte. In der Rückschau muten Debatten über ein »Abkoppeln« Europas von dem vermeintlich einzigen Krisenherd USA seltsam
an. Man dachte ernsthaft, da die Krise vom Finanzmarkt der USA ausgegangen war und sich dort auch die ersten konjunkturellen
Bremsspuren gezeigt hatten, könne Europa möglicherweise ungeschoren davonkommen – eine merkwürdige Vorstellung im Zeitalter
der Globalisierung. Sie wurde im Hinblick auf den Finanzsektor dann auch rasch widerlegt.
Es blieb die Hoffnung, dass die Konjunktur in Europa robust genug wäre, um den Belastungen standzuhalten. Diese Hoffnung gründete
sich auf die abnehmende Bedeutung der direkten Handelsbeziehungen mit den USA. Eine solche Sichtweise täuscht aber. Schon
der Internationale Währungsfonds (IMF) hatte in seinem Frühjahrsausblick 2008 darauf hingewiesen, dass sich die Konjunkturzyklen
zwischen den Industrieländern angeglichen hätten. Demnach war eine Abkopplung ohnehin nicht zu erwarten. Sie lässt sich vor
dem Hintergrund einer globalen Handelsverflechtung auch nur sehr schwer begründen. Denn nicht nur die direkten Handelsbeziehungen
sind von Belang – noch bedeutender sind die indirekten Beziehungen. Ein konjunktureller Einbruch in den USA hemmt also nicht
nur direkt |122| die Nachfrage nach europäischen Produkten, sondern es können auf Umwegen zusätzliche negative Effekte auftreten.
Ein solcher Umweg kann zum Beispiel so aussehen, dass die US-Nachfrage nach asiatischen Produkten gleichfalls nachlässt. Das
dämpft die Konjunktur in Asien und damit auch deren Nachfrage nach europäischen Produkten. Durch die Hintertür kommt somit
ein weiterer negativer Effekt auf Europa zu. Er kann – je nachdem, wie wichtig diese Handelsbeziehungen sind und wie die Reaktion
auf die US-Konjunktur ausfällt – noch bedeutsamer sein als der direkte Effekt. Der Blick auf die direkten Handelsbeziehungen
ist also zu eng. Man muss immer das gesamte Welthandelsgeflecht betrachten. Das zerstört natürlich die Illusion, die damals
in Europa und vor allem in Deutschland aufkeimte, dass die dynamische Konjunktur in China und im Rest Asiens unsere Volkswirtschaft
vor den negativen Folgen der Finanzkrise einigermaßen schützen könne. Das Gegenteil war der Fall. Weil der Handel Chinas mit
seinem weitaus wichtigsten Handelspartner USA dramatisch einbrach, reduzierten die Chinesen ihre Nachfrage nach den Produkten
der anderen asiatischen Länder und Europas ebenfalls sehr deutlich. So kamen aus dieser Richtung statt einer Rettung sogar
weitere Belastungen. In einer global verflochtenen Wirtschaft ist es also töricht, anzunehmen, ein Kontinent oder eine Volkswirtschaft
könnte sich den Folgen einer solchen Krise entziehen. Wer solche Hoffnungen gehegt und Deutschland als einen sicheren Fels
in der tosenden weltwirtschaftlichen See angesehen hatte, hatte sich grundlegend getäuscht.
Verschärfend kommt hinzu, dass Länder wie Deutschland, die einen hohen Außenhandelsanteil haben, zu den besonders von der
Krise betroffenen Volkswirtschaften gehören. Sie wurden nicht nur über den Zusammenbruch der Finanzverflechtungen infiziert,
sondern zusätzlich noch relativ stark über den einbrechenden Welthandel. Generell zeigt die Krise in den einzelnen Volkswirtschaften
durchaus unterschiedliche Ausmaße und Ausprägungen, was Abbildung 10 verdeutlicht. Wenn ich mir die Ausbreitung der Krise
für die einzelnen Länder anschaue, dann lässt sich das als Bewegung verschiedener aufeinander folgender Wellen beschreiben.
|123| Das explodierende Misstrauen im Finanzsektor mit seinen negativen Folgen für die Kreditvergabe und den Geldfluss schädigt
die einzelnen Volkswirtschaften nach dem Finanzsektor selbst zunächst immer an ihrer schwächsten Stelle. Das ist jener Bereich,
wo die Kreditvergabe als besonders riskant angesehen wird. Dies können je nach Volkswirtschaft durchaus unterschiedliche Bereiche
der Wirtschaft sein. Mit der ersten Welle wird
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