Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
der jeweilige Finanzsektor geschädigt, dessen Umsätze und Gewinne in der Zeit
der Krise auf rasante Talfahrt gingen. In dieser Phase werden die Vermögen entwertet. Das lief ganz unterschiedlich ab. Am
Beginn brach der Wert der ABS-Papiere ein, die plötzlich unter dem generellen Verdacht standen, einen massiven Anteil fauler
Hypothekarkredite zu enthalten. Ob dies tatsächlich so war, spielt keine Rolle. Auf den Finanzmärkten zählt nur, was die Mehrheit
der Anleger über die Einschätzungen der Mehrheit der Anleger glaubt. Die Befürchtungen und die darauf folgende Panik waren
groß, also fiel der Preis der ABS ins Bodenlose, und damit verminderten sich die Vermögenswerte.
Davon waren zunächst nur institutionelle Anleger wie Fonds, Zweckgesellschaften und Banken betroffen – eben jene Institutionen,
deren Aufgabe es letztlich ist, das Geld der Reichen zu sammeln und dem Kapitalmarkt zuzuführen. Gerade wegen dieser Schlüsselfunktion
betrachte ich diesen Wertverlust als Zündfunke für die Finanzkrise. Mit dem drastischen Vermögensverlust der ABS-Papiere bildete
sich immer mehr Misstrauen, man fragte sich, ob der Fonds oder die Bank überleben würde, ob das dort angelegte Vermögen also
noch sicher war.
Wenn das Vertrauen in diese Institutionen leidet, ziehen viele Anleger ihre Vermögen ab – und tun das zu viele, kann das schnell
zum Untergang der Institution führen. Ist das Misstrauen allgemein, wie es 2007 tatsächlich der Fall war, wird die Krise folglich
systemisch. Die Anleger streben nach Liquidität – das geht bis zur Barabhebung großer Summen von den Banken, und ein solches
Verhalten kann den gesamten Finanzsektor in die Knie zwingen. Dieser Bank-Run drohte auch 2007. Und schon die Drohung ist
mit geradezu dramatischen |124| Vermögensverlusten auch für die Privatanleger verbunden. Das Feuer der Vermögensentwertung ergriff dann auch rasch eine Wertanlageform
nach der anderen und blieb nicht auf jene Papiere begrenzt, mit denen sich vornehmlich institutionelle Anleger befassen.
Wie aus dem Lehrbuch – die vier Krisenwellen
Man könnte nun etwas leichtfertig behaupten, dass dies alles schon seine Richtigkeit habe. Nachdem die Reichen in vielen fetten
Jahren über ihre Verhältnisse gelebt hätten, weil ihr Vermögen durch überbordende Spekulation aufgebläht worden sei, geschähe
ihnen der Wertverlust zu Recht. Dem könnte auch ich mich anschließen, wenn – ja, wenn sich die Krise allein auf die Vermögen
beschränkt hätte. Doch das war nicht der Fall. Auch die laufenden Einkommen der übrigen Bevölkerung waren betroffen.
Am Beginn der Krise traf es vor allem die Produktion und die Einkommen jener Volkswirtschaften besonders hart, in denen der
Finanzsektor eine wichtige Rolle spielt. Hier gingen Absatz und Beschäftigung merklich zurück. Das gilt innerhalb Europas
vor allem für Irland und Großbritannien, global sind mit einigem Abstand noch die USA zu nennen. In Deutschland, wo der Finanzsektor
eine relativ geringe Bedeutung hat, war die Wirtschaft anfänglich vor den Folgen geschützt. Das ließ uns hoffen, auch weiterhin
ungeschoren davonzukommen – eine schöne Illusion, wie wir heute wissen.
Die zweite Krisenwelle traf dann besonders jene Länder, die weltweit Handel treiben und eng mit ihren Handelspartnern verbunden
sind. Die Exporte und folglich auch die Importe aller großen Volkswirtschaften brachen dramatisch ein. Deutschland war damals
Exportweltmeister und stand zusammen mit Japan in der ersten Reihe. Diese beiden Länder mussten im weiteren Verlauf der Krise
im globalen Maßstab dann auch die stärksten Einbrüche hinnehmen. Da der Außenhandel eine relativ große Bedeutung für Deutschland
und Japan hat, war der Schock hier besonders groß.
|125| Das unterscheidet die deutsche Entwicklung zum Beispiel von der in Frankreich und Spanien. Abbildung 11 zeigt, dass dort die
Exporte zwar ähnlich stark einbrachen wie in Deutschland. Da die französische und die spanische Wirtschaft jedoch erheblich
weniger vom Export lebten als die deutsche, fielen auch die negativen Folgen für das Wachstum dort entsprechend geringer aus.
Für den Exporteinbruch spielte nicht nur die nachlassende Nachfrage nach den Exportprodukten eine Rolle, sondern auch die
schwieriger gewordene Finanzierung des Außenhandels. Rein rechnerisch führen synchron rückläufige Exporte und Importe, wenn
überhaupt, nur zu geringen Einbußen
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