Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
werden auch die Staatsanleihen als Vermögen an die nächste Generation vererbt. Es gibt also zwei Klassen von
Kindern: jene, die nur die höheren Steuern zahlen oder Opfer der verminderten Ausgaben sind, und jene, die vom Staat die Zinsen
überwiesen bekommen.
In Wahrheit ist eine ständig wachsende Staatsverschuldung also kein Generationenproblem, sondern ein Verteilungsproblem zwischen
den Gläubigern des Staates und dem Rest der Bevölkerung. Im Regelfall gehören die Besitzer von Staatsschuldtiteln nicht zu
den Ärmsten einer Gesellschaft, und wenn dann auch die Ausgabenkürzungen – wie es meist von den Ökonomen gefordert wird –
ausgerechnet im Sozialbereich stattfinden, dann führt eine höhere Staatsverschuldung auf Dauer zu einer verschärften Ungleichheit.
Das ist das eigentliche Problem und nicht die Belastung der Kinder.
Es gibt jedoch noch eine weitere Gefahr. Die Ungleichheit kann zwar durch gezielt umverteilende Steuern gemildert werden.
Aber diese Maßnahme ist nur von Erfolg gekrönt, wenn die Besitzer der Staatsanleihen überwiegend Inländer sind und der inländischen
Steuerpflicht unterliegen. Befindet sich die Staatsschuld aber überwiegend im Besitz von Ausländern, greift die umverteilende
Steuerpolitik nicht. Es findet über die Zinszahlungen ein fortwährend zunehmender Wohlstandstransfer ins Ausland statt, und
die Inländer werden immer stärker belastet. Dann wird die Bürde einer höheren Staatsverschuldung im Verlauf der Zeit tatsächlich
unerträglich schwer.
Mein Fazit: Staatsverschuldung ist nicht per se eine Gefahr. Es kann |165| durchaus sinnvoll sein, dass der Staat zum Beispiel zu Investitionszwecken Schulden aufnimmt, um das künftige Wachstum zu
fördern oder um eine Konjunkturkrise zu meistern. Gefahren entstehen erst dann, wenn in Zeiten kräftig sprudelnder Steuereinnahmen
nicht genügend gespart wird oder wenn sich der Staat vor allem im Ausland verschuldet, weil die inländische Ersparnis nicht
ausreicht.
Wer rettet den Staat?
Diese Sorgen beschäftigten auch das Parlament. Noch im Krisenjahr 2009 beschloss der Bundestag eine sogenannte Schuldenbremse
mit Verfassungsrang, die Bund und Länder zwingt, bis zum Jahr 2016 beziehungsweise 2019 ausgeglichene Haushalte vorzulegen.
Ausnahmen sind nur kurzfristig bei konjunkturellen Krisen und Notlagen zulässig. Die Schuldenbremse ist sicherlich auch ein
Ausdruck des schlechten Gewissens, das viele Wirtschaftspolitiker angesichts der hohen Ausgaben für die Konjunkturpakete quälte.
Sie wollten die entstandene Staatsverschuldung möglichst schnell wieder zurückführen. Daher verpassten sie dem Staatssektor
nun ein enges Korsett, das die wirtschaftliche Aktivität des Staates im kommenden Jahrzehnt massiv beschränken dürfte. Aber
wie funktioniert so eine Schuldenbremse überhaupt?
Die Schuldenbremse besteht aus einer komplexen Regel, die angibt, welches Defizit der Staat in einer bestimmten ökonomischen
Situation machen darf. Die Komplexität dieser Regel ergibt sich daraus, dass in Anlehnung an das von der EU-Kommission praktizierte
Verfahren die ausgewiesenen Haushaltsdefizite um konjunkturelle Einflüsse bereinigt werden. Im Ergebnis führt das dazu, dass
in konjunkturell schlechten Zeiten höhere Defizite zugelassen sind und in guten Zeiten geringere Defizite, wenn nicht sogar
Überschüsse erforderlich sind. Auf Dauer müssen die öffentlichen Haushalte ausgeglichen sein, nur der Bund darf einen geringfügigen
Fehlbetrag von 0,35 Prozent des BIP zulassen. Eine Unterscheidung zwischen Investitionen |166| und Konsum des Staates gibt es nicht mehr, weil sie – nicht ganz zu Unrecht – als zu komplex und teilweise willkürlich erscheint.
Folglich kann der Staat sich in Zukunft nicht mehr verschulden, um Investitionsvorhaben durchzuführen, die sich über ihre
Wachstumswirkungen möglicherweise selbst finanzieren. Unterbleiben aus diesem Grund die Investitionen, wird auch das Wachstum
fehlen und die Volkswirtschaft ist ärmer, als sie es ohne die Schuldenbremse wäre. Das ist der klare Nachteil dieses Prinzips.
Alle Vorbehalte gegenüber dem Staat als wirtschaftspolitischem Akteur haben in Deutschland nunmehr Verfassungsrang. Die Schuldenbremse
ist ein klares Misstrauensvotum gegen die Rationalität wirtschaftspolitischer Entscheidungen. Man traut sich selbst nicht
mehr über den Weg. Ich finde einen anderen Aspekt noch schlimmer: Das Funktionieren der
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