Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Gesellschaft
erleichterte man hingegen das Leben durch Steuer- und Abgabenvorteile, die – selbstredend – zugleich die Staatsfinanzen belasteten.
Auf diese Weise verengte sich der Handlungsspielraum des Staates, Chancen für Wachstum und Beschäftigung für genau jene zu
schaffen, die sich (wirklich) anstrengen. Besonders auf der kommunalen Ebene verfällt die Infrastruktur. Der erzwungene Rückzug
des Staates hatte einige Konsequenzen: Die Ungleichheit nahm zu, während gleichzeitig die Wachstumsperspektiven abnahmen.
Die Zahlen weisen seit 2000 im internationalen Vergleich in eine eindeutige Richtung, nämlich nach unten. Selbst der viel
gefeierte Aufschwung zwischen 2006 und 2008 war im internationalen Vergleich nur durchschnittlich, die Stagnation zuvor dagegen
ungewöhnlich lang und die Krise danach ungewöhnlich tief. Das hat man damals gerne übersehen.
Erst wenn ein grundlegender Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik erfolgt, weg vom ausschließlichen Druck auf Arbeitlose hin
zu einer Politik der Chancen, wird sich die soziale Mobilität wieder erhöhen. Wenn das erreicht wird, sollten sich die Wachstumsperspektiven
der deutschen Wirtschaft wieder aufhellen. Doch auch eine solche Politik erfordert den Mut, sich mit den mächtigen Interessen
des Reichtums und den gegensätzlichen ökonomischen Theorien anzulegen.
Eine solche Politik ist eine Gratwanderung. Da ist einerseits die Notwendigkeit, die Ungleichheit zu vermindern, und andererseits
die notwendige Spreizung von Einkommen, um Leistungsanreize zu erhalten. Meine Empfehlung steht: Die Politik muss sich vor
allem gegen Einkommen und Vermögen richten, die wenig oder gar nichts mit Leistung zu tun haben und im Kern das Ergebnis gesellschaftlicher
Privilegien sind. Umgekehrt müssen jene gefördert werden, die trotz massiver Anstrengungen kein oder nur wenig Einkommen erzielen.
Steigen wir also noch etwas tiefer in den fiskalpolitischen Keller.
|212| Vermögen besteuern: die Erbschaftsteuer
Der direkte Weg, die massive Zunahme der Ungleichheit anzugehen, besteht in deutlich höheren Vermögensteuern. Drei Arten von
Steuern sollten spürbar erhöht werden. Die erste ist die Erbschaftsteuer. Sie ist der Klassiker, um leistungsfreies Einkommen
zu besteuern. Erben ist schließlich keine Leistung, sondern schlicht ein positives Schicksal. Es ist daher schon aus Gründen
der Leistungsgerechtigkeit geboten, diese Einkommen der Allgemeinheit zuzuführen. Diese verwendet sie wiederum für Vorhaben,
die entweder allen zugute kommen oder besonders jenen, die mit einem widrigen Schicksal zu kämpfen haben. Mit dieser Begründung
könnte man einen Erbschaftsteuersatz von 100 Prozent rechtfertigen.
Man muss das Ganze aber schon etwas differenzierter betrachten. Natürlich kann hinter dem Vermögen des Erblassers eine anerkennenswerte
Leistung stehen. Dann hätte sie gesamtwirtschaftlich durchaus positive Auswirkungen. Man muss sich das so vorstellen: Die
Anstrengungen werden größer, wenn die Möglichkeit besteht, das Ergebnis seiner Anstrengungen über den eigenen Tod hinaus für
seine Familie oder andere zu bewahren. Das Gleiche gilt vor allem für Betriebsvermögen. Würde es zu 100 Prozent besteuert,
ginge es verloren und würde dann nicht mehr als Wohlstandsquelle zur Verfügung stehen. Denkt man an kleine Vermögen wie zum
Beispiel das Reihenhaus, das der Besitzer mühsam sein Leben lang abbezahlt hat, erscheint eine hohe Besteuerung irgendwie
ungerecht.
Diese Überlegungen sprechen alle gegen einen Steuersatz von 100 Prozent. Sie sprechen aber nicht für einen Satz von 0 Prozent,
sondern für eine faire Abwägung mit Freibeträgen für geringe Vermögen, wie es sie jetzt schon gibt. Man darf nicht vergessen,
dass der Erbe ein »leistungsloses« Einkommen bezieht. Über das Ergebnis einer solchen Abwägung lässt sich politisch gut streiten.
Eine Erbschaftsteuer sollte letztendlich zu einer spürbaren Umverteilung der Vermögen führen – das ist das Ziel. Bis heute
ist das nicht hinreichend der Fall, daher müssen die Sätze deutlich erhöht werden. Die |213| absehbaren Einwände, vor allem von Unternehmensvertretern, sind abgestanden, und es gibt genügend Gegenargumente. Auch aus
Betriebsvermögen können Erbschaftsteuern bezahlt werden. Kleinere Handwerksbetriebe werden aufgrund der Freibeträge in der
Regel überhaupt nicht tangiert. Größere Unternehmen mit einem höheren Vermögen, bei
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