Des Reichtums fette Beute - Wie die Ungleichheit unser Land ruiniert
Deutschland wurde immer wieder die Befürchtung
geäußert, die Finanzmarktaktivitäten würden sich ins vermeintlich großzügigere Ausland verlagern. Dieses Argument löste bei
den Politikern Ängste aus, die auf den ersten Blick nachvollziehbar sind. Genau das aber entspricht dem Kalkül der Lobbyisten.
Sie schrecken wirklich vor keinem Argument zurück, das aus ihrer Sicht diesen Druck verstärkt. Das zeigte sich in dieser Debatte
geradezu exemplarisch. Im Vorfeld und während des Hearings im Bundestagsausschuss für Finanzen zur Einführung der Finanzmarkttransaktionssteuer
behaupteten sie, dass diese Steuer den kleinen Riester-Sparer, der sein weniges Geld mühsam zusammenhält, stark belasten würde.
Mir kommen die Tränen! Während des Hearings wurde deutlich, dass es dabei um eine Belastung von weniger als 10 Euro während
der gesamten Laufzeit eines solchen Vertrages ging. Das Gros des Aufkommens wäre selbstverständlich von den mit hoher Frequenz
am Finanzmarkt tätigen Hedge-Fonds und anderen ähnlich agierenden Akteuren zu leisten. Tatsächlich dürfte der Riester-Sparer
durch die Finanzmarkttransaktionssteuer sogar entlastet werden.
Wenn sie nicht eingeführt wird, muss der Staat seine Schulden auf andere Art und Weise refinanzieren. Erhöht er zum Beispiel
die Mehrwertsteuer, dürfte der Riester-Sparer viel mehr belastet werden als durch eine Finanzmarkttransaktionssteuer. Dieses
Beispiel macht deutlich, mit welcher Einseitigkeit und intellektuellen Skrupellosigkeit die Lobbyisten in dieser Auseinandersetzung
vorgingen – und alles nur, um den Finanzsektor davor zu bewahren, dass er sich an der Finanzierung der von ihm verursachten
Schäden beteiligt. Absurdes Theater ist wohl die richtige Bezeichnung für so viel schauspielerisches Talent.
Wer also den Finanzmarkt zähmen will, muss sich auf gewaltige Widerstände gefasst machen. Eine Politik, die die nächste Krise
vermeiden will, muss gegen alle diese Widerstände den Mut aufbringen, die Finanzmärkte zu beschränken und ihre Liquidität
zu vermindern. Aber wie geht das?
|210| Die Ungleichheit vermindern
Ein stabiler Finanzmarkt ist wichtig, reicht aber alleine nicht aus, um wirtschaftliche Stabilität zu erzielen. Dazu muss
man an eine der maßgeblichen Wurzeln der Krise herangehen: die Ungleichheit. Die immer stärkere Zusammenballung großer Vermögen
ist riskant, nicht nur aus rein ökonomischer Sicht. Durch sie entsteht auch eine Machtballung, die insbesondere die Wirtschaftspolitik
stark in ihrem Sinne beeinflusst. Der Reichtum erzeugt somit jenseits aller ökonomischen zusätzlich noch politische Vorteile.
So können sich die glücklichen Eigentümer sicher sein, dass ihnen ihr Reichtum auch erhalten bleibt. Das führt zu einer verkrusteten
Gesellschaft, in der der Traum vom wirtschaftlichen Aufstieg ein Traum bleibt. Wenn das alle verstanden haben und sich Resignation
und Frustration ausbreiten, wird der Traum nicht mehr geträumt, und die Anstrengung, ihn zu verwirklichen, lässt nach. Und
es ist gerade diese Anstrengung, die wirtschaftlichen Erfolg und Dynamik für die gesamte Wirtschaft hervorbringt. Deshalb
muss genau diese Anstrengung gepflegt und belohnt werden.
Das bezieht sich nicht nur auf Spitzenleistungen, es gilt für Leistungen auf allen Ebenen. Jeder Ungelernte, der sich anstrengt
und sich um eine bessere Tätigkeit bemüht, muss die Chance auf eine Belohnung haben. In Deutschland sieht das leider seit
geraumer Zeit ganz anders aus. Die sogenannte Einkommensmobilität nach oben nimmt ab. Sie ist die Wahrscheinlichkeit, seine
Einkommensgruppe innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu verlassen. Natürlich möchte man sich finanziell verbessern. Und genau
das ist in Deutschland immer unwahrscheinlicher geworden; es geht eher in die andere Richtung. Ziel einer Wirtschaftspolitik
muss es aber sein, die Chancen auf Verbesserung hoch zu halten oder zu erhöhen. Jeder Arbeitslose mit Hartz-IV-Status, der
sich um Arbeit bemüht, sollte eine Chance haben aufzusteigen. Diese Chance fällt aber nicht vom Himmel, womit wir wieder bei
der Wirtschaftspolitik wären.
Diese Sichtweise ist völlig neu, wenn man sie mit den Vorstellungen |211| vergleicht, die in der Wirtschaftspolitik der vergangenen 15 Jahre vorherrschten. Sowohl Ökonomen als auch Politiker haben
immer nur betont, dass der Arbeitslose sich anstrengen müsse. Den Reichen als vermeintlichen Leistungsträgern der
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