Des Satans Schatten
einer Eisenstange als Hebel, da, auf der Seite, wo die Scharniere sind. Sie ging nicht anders auf als mit Gewalt, weil sie von innen verrammelt war. Ein Stuhl war dagegen gekantet. Der Mann lag so da, wie Ihr ihn auch jetzt gefunden habt, und man konnte von hier aus sehen, dass sein Rücken blutig war. Wir sind nicht einmal in seine Nähe gegangen, aber der Herr Verwalter hat sich sofort um ihn gekümmert. Und der Rodger ist auch sogleich losgelaufen zu dem Herrn Grafen, und wir haben die Tür notdürftig geschlossen und sodann bewacht.« Während dieser Bericht aus dem einen der Wächter ein wenig holprig hervorkam, nickte der andere heftig zu jedem zweiten Wort. Sie hatten beide die flammende Rede nicht erfunden, doch es war ihnen nicht ein Fünkchen Unsicherheit anzumerken, kein verräterisches Zucken der Lider, kein ausweichender Blick, kein nervöses Vibrieren der Finger. Hier standen alte Kämpen, die nichts als die Wahrheit kannten. Summa summarum, es gab nicht den geringsten Anlass, an der Richtigkeit ihrer Schilderung zu zweifeln.
Ich verließ sie mit dem strikten Befehl, auch in unserer Abwesenheit niemanden mit Ausnahme des Grafen persönlich in das Mordzimmer zu lassen, und ging wieder hinein. Ossenstert stand vor dem Fenster und wischte sich die Hände mit einem Tuch ab. »Bist du hier fertig?«
Er nickte. »Wie ich schon sagte, zwei Stiche in den Rücken mit einer glatten Klinge ohne Besonderheiten.«
»Du hast nichts gesagt, du hast nur vor dich hin gemurmelt. – Dass er die Tür zusätzlich verrammelt hat, lässt darauf schließen, dass er um Leib und Leben fürchtete. Bedenkt man, dass er sich erst relativ kurze Zeit in Crange aufhielt, dürfte die Zahl derer, die ihm hier nachstellen könnten, nicht unermesslich sein. Ergo müssen wir jetzt nur noch herausfinden, wer alles von dem Geheimgang zu diesem Zimmer wusste, und der Kreis der möglichen Mordbuben lässt sich beträchtlich einengen. Ich denke, unser Gastgeber wird uns da weiterhelfen können.«
Ossenstert hatte schon intelligenter dreingeschaut. »Geheimgang? Was für ein Geheimgang zu diesem Zimmer?«
»Das liegt doch auf der Hand. Dieses herrlich bleiverglaste Fenster, vor dem du gerade stehst, das mit Hilfe der einfallenden Sonnenstrahlen die Leiche in ein Harlekinkostüm gewandet hat, lässt sich nicht öffnen. Von innen nicht, und von außen schon gar nicht, so ist es nun mal konstruiert. Die Tür war nicht nur verschlossen, sondern zusätzlich verkeilt.« Ich deutete dabei auf den Stuhl mit der zertrümmerten Lehne, der dem Ansturm der Wachen nicht gewachsen gewesen war. »Über einen Nachschlüssel, Dietrich oder dergleichen brauchen wir uns also keine Gedanken zu machen. Da diese Kammer ferner über keinen Kamin verfügt, sondern im Winter mit einem Kohlebecken beheizt wird, wie soll der Täter hineingekommen sein? Wenn der Mörder nicht die Fähigkeit besitzt, als Rauch durch das Schlüsselloch hineinzugelangen und auf dieselbe Weise wieder hinaus – eine Annahme, die deinem analytischen Geist sicher nicht behagen wird –, muss es hier einen Geheimgang geben.«
Nun schmeichle ich mir gelegentlich damit, selbst einen analytischen Geist mein eigen zu nennen, doch sollte ich, meine spöttelnden Zuhörer, nur allzu schnell dazu gezwungen werden, darüber nachzusinnen, ob nicht doch jemand als Rauch durch ein Schlüsselloch zu gleiten vermag.
In dieser Burg existierte nämlich kein Geheimgang.
Der Graf war sich da mehr als sicher. In seiner Kindheit hatte er beim Spielen mit Freunden seinen ganzen Ehrgeiz darein gelegt, ein solch perfektes Versteck zu entdecken und unerwartet an einem anderen Platz wieder auftauchen zu können. Allein, eine solche Konstruktion war nicht aufzufinden. Als er später seinen Vater danach fragte, wurde ihm dies auch bestätigt. In späteren Jahren hatte er die Burg von einem Baumeister, dem er Gastfreundschaft gewährt hatte, vermessen lassen, der ihm in seinem abschließenden Bericht bewies, dass nichts dergleichen vorhanden war.
Da sich euer alter Frederik bekanntermaßen beharrlich weigert, an das Übersinnliche zu glauben, wollte ich mich mit alledem nicht bescheiden und machte mich selbst ans Werk. Mit der Unterstützung dreier Bediensteter kehrte ich in Bühlers Kammer das Unterste zuoberst, ließ die Wände abklopfen, steckte Messerklingen in haardünne Wandritzen, zog an Kleiderhaken, drückte auf Fußbodendielen und stellte mich sogar auf den Tisch, um eine Falltür in der Zimmerdecke
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