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Des Satans Schatten

Des Satans Schatten

Titel: Des Satans Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F.G. Klimmek
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Hexe.

Degusti
    Ich hatte mich für einen Fußmarsch entschieden, obwohl sich im Zusammenballen grauer Wolken ein Sommerregen ankündigte. Zu viele Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, als dass ich in ihnen ein geordnetes Schema hätte erahnen können, das mich auf die Spur der Verschollenen gesetzt hätte. Ich konnte gegenwärtig nur versuchen, Fragmente zu sammeln, bei denen ich lediglich darauf spekulieren konnte, dass sie sich einmal zu einem großen Gesamtbild würden zusammenfügen lassen.
    Bereits nach wenigen Schritten in den Wald hinein hatte ich das Gefühl, dass meine Entscheidung richtig war. Unter dem Schatten spendenden Blätterdach war es angenehm kühl, und ein zarter Duft nach Waldmeister schwebte in der Luft. Bienen umsummten mich zu vielstimmigem Vogelgezwitscher, das einen darauf hoffen ließ, die Welt würde nicht nur aus Mord und Hinterlist bestehen.
    Nach einigen weiteren Schritten in den Wald hinein hatte ich den Beweis, dass meine Entscheidung falsch war. Ohne dass ich ein spezifisches Geräusch vernommen oder jemanden hätte in meine Nähe treten sehen, erhielt ich einen derartigen Hieb gegen den Schädel, dass es mich blitzartig zu Boden streckte. Während farbige Bilder durch mein Hirn tanzten wie nach dem Hexengebräu, musste ich zwanghaft an jenen eng anliegenden, unauffälligen Helm denken, den Sir Desmond mir schon vor Jahren aus einer federleichten Legierung geschmiedet hatte, und an seinen guten Rat, ihn bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit, versteckt unter meinem Barett, zu tragen. Mit dem Bild, wie dieses lebensrettende Kunstwerk unnütz zu Hause in meiner Truhe lag, verschwanden auch die anderen Visionen, und es wurde dunkel um mich.
    Wie lange ich mich in diesem Zustand befunden hatte, wusste ich nicht. Von allen meinen sieben oder acht Sinnen, die mir teils die Natur angeboren und die ich mir teils durch jahrelange Erfahrung erworben hatte, funktionierte der Geruch als Erster wieder. Eindeutig gebratenes Kaninchen, gemischt mit feuchtem Waldboden, zart angereichert mit dem Odeur frischer Pferdeäpfel.
    Das Sehen sollte eigentlich als Nächstes kommen, doch damit tat ich mich schwer. Denn sobald ich meine Lider auch nur einen winzigen Spalt öffnete, durchzuckten grelle Lichtblitze meinen Schädel, der im selben Moment an einem Punkt hinter meinem linken Ohr im Takt des Herzschlags zu pochen begann.
    Ich wiederholte diese Tortur dreimal mit demselben Ergebnis, bis mir mein kluges Hirn dringend empfahl, von einem vierten Versuch zumindest gegenwärtig Abstand zu nehmen. Gleichermaßen gab ich meine parallelen Bemühungen auf, mich aus meiner liegenden in eine sitzende Stellung zu bringen, und ließ mich mit einigem Geächze wieder zurücksinken.
    In dieser Position blieb ich eine Weile, bis sich eine kräftige Hand unter meinen Rücken schob, um mich halb aufzurichten. Zugleich wurde meine Duftpalette um die Note eines aromareichen Weines erweitert.
    Nun, meine genusssüchtigen Freunde, ihr könnt euch bestimmt vorstellen, dass es für den alten Frederik kaum einen größeren Anreiz geben kann, in das Diesseits zurückzukehren, als die Aussicht auf einen erlesenen Tropfen. Deshalb versuchte ich es auch noch mit einer ganz realen Aussicht und zwang mich, wider alle Vernunft die Augen aufzumachen. Der sofort einsetzende Schmerz wurde zum Glück stark durch den großzügigen Schluck gemildert, den ich mir von dem schweren Roten unter meiner Nase gestattete. Und als ich endlich mit leicht tränenden Augen den Boden des Bechers erkennen konnte, waren sämtliche Sinne wieder so weit beieinander, dass ich mich rundum wiederhergestellt fühlte. Sieht man von der Beule ab, die hinter meinem Ohr vor sich hin klopfte.
    Meinem Samariter, der mir den Becher erneut füllte und mich dabei mit einem halb mitleidigen, halb belustigten Blick anlächelte, war nicht entgangen, dass ich ganz zwangsläufig die schmerzende Stelle befühlte. Er schlug die Kapuze seines kuttengleichen Umhangs zurück und präsentierte mir ein Gesicht, das in seiner Schärfe und Klarheit an einen Bussard erinnerte. Augen von einem Schwarzgrün, wie ich sie noch nie gesehen hatte, über einer schmalen, gebogenen Nase. Dunkler Bart, der seine Mundpartie umschloss, ebenso kurz geschnitten wie sein Haupthaar, das an drei Stellen in seine breite Stirn ragte, als hätte sich von hinten eine schwarze Kralle über seinen Schädel gelegt.
    Mit versöhnlicher Geste reichte er mir auf einem schlanken, aber stabilen

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