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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ungläubig.
    »Ohne Zögern! Du beleidigst mich jede Sekunde, in der du ruhig vor mir stehen kannst!«
    »Sie werden nicht zuschlagen. Nein, das können Sie nicht.« Hartung schüttelte den Kopf und kam langsam näher. Elise hob wieder das Schwert. »Seien Sie vernünftig, Elise! Schließen Sie die Tür auf!«
    »Bleib stehen, mein Gott, bleib stehen!« Elise preßte die Lippen zusammen. In ihren Augen war eine Härte, die Hartung zögern ließ. Noch einen Schritt, dann kam er in den Bereich der Waffe. Ein weiterer Schritt konnte den Tod bedeuten. »Bleib stehen!« schrie Elise. Die Klinge fuhr hoch, jeder Muskel des nackten Körpers war gespannt.
    Hartung war nie ein Feigling gewesen. Was das Leben bisher von ihm gefordert hatte, war er angegangen, mutig, seine Chancen abwägend, direkt oder diplomatisch. Er hatte nie gekniffen. Er war nur ausgewichen, wo es die Klugheit befahl, um dann später um so energischer voranzugehen. Ein Gefühl von Angst hatte er nur dreimal erlebt – auf dem großen Treck von Ostpreußen nach dem Westen, verfolgt von sowjetischen Panzerkolonnen, ein kleiner Junge, der zusehen mußte, wie alte Männer und Frauen im Straßengraben erfroren. Zum zweitenmal überfiel ihn die Angst, als er während eines Urlaubes in Dalmatien an der felsigen Küste nach alten Amphoren tauchte und ein scharfer Stein seinen Atemschlauch zerriß. In den Sekunden, bis er die Meeresoberfläche wieder erreichte, hatte er alle Qualen der Verzweiflung durchgemacht. Das drittemal erwischte es ihn mitten in Berlin, auf der Joachimsthalerstraße, an einem trüben Regentag. Ein Lastwagen kam ins Schleudern, rutschte auf ihn zu, und er war von dem Anblick des auf ihn zuschlitternden Ungetüms so gelähmt, daß er sich nicht rühren konnte und das Bewußtsein, gleich zermalmt zu werden, jeden Gedanken auslöschte.
    Jetzt, vor dieser zu allem bereiten nackten Frau mit dem Damaszenerschwert in der Hand, war es keine Feigheit, wenn er stehenblieb. Es war einfach die Erkenntnis, klüger zu sein als die von ihrer Leidenschaft getriebene, aller Vernunft beraubte Elise de Béricourt.
    »Warten wir es also ab«, sagte er und ging rückwärts bis zum Fenster. Dort blieb er stehen und zeigte auf das Bett und das zerrissene Kissen. »Wenn schon Historie, Kreuzritterschwert und so – warum zwingen Sie mich nicht mit ihrer scharfen Klinge zur Liebe? Zerhackt werden oder lieben – aus dieser Alternative fände ich einen Ausweg.«
    »Du sollst mich lieben, weil ich schön bin. Ich bin doch schön, nicht wahr?«
    »Sie haben alles, was einen Mann begeistern kann. Einen herrlichen Körper, Temperament, Geist.«
    »Und trotzdem?«
    »Ja, trotzdem. Sie zu lieben bedeutet, Sklave zu werden. Ich könnte mir vorstellen, daß ein Mann der Sie einmal besessen hat, an nichts anderes mehr denken kann als an diese Stunde.«
    »Ist das ein so schrecklicher Gedanke?«
    »Ich habe eine andere Aufgabe, als von weiblichen Reizen zu träumen.«
    »Ich weiß. Du mußt reiten, springen, siegen. Das alles kannst du auch hier haben. Ich richte dir den schönsten Parcours der Welt ein, du kannst die besten Pferde kaufen, ich werde dir zusehen, wenn du trainierst, wenn du die Hindernisse überwindest, du wirst immer der Sieger sein! Und nach jedem Turnier winkt dir ein Preis, wie du ihn noch nie gewonnen hast – ich!« Sie breitete die Arme aus. Über ihren schlanken nackten Körper tanzten die Sonnenstrahlen. »Es wird ein wundervolles Leben sein!«
    »Und alles hier, in diesem Park, hinter den hohen Mauern?«
    »Ein Paradies!«
    »Eine blühende, duftende, vergoldete Hölle!« Hartung schlug mit der Faust gegen die Wand. »Ich werde jede Gelegenheit zum Ausbruch wahrnehmen.«
    »Es wird keine Gelegenheit geben«, sagte Elise de Béricourt mit einer erschreckend nüchternen Stimme. Sie bückte sich, raffte ihre Kleider zusammen, klemmte das Schwert unter die Achsel – es sah unbeschreiblich komisch aus –, schloß die Tür auf und verließ den Raum. Deutlich hörte Hartung, wie sie von draußen wieder abschloß.
    Er wartete ein paar Minuten, rannte dann zur Tür, rüttelte daran, untersuchte das Schloß, klopfte das Holz ab und strich sich resignierend über die Stirn. Vor ein paar Jahrhunderten baute man massiver als heute. Das Schloß war handgeschmiedet, die Tür aus massiven Eichenbrettern mit geschnitzten Ranken.
    Versuchen wir es trotzdem, dachte er. Nach einem langen Anlauf ließ er sich gegen die Tür fallen, das einzige, was er damit erreichte,

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