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Des Sieges bittere Tränen

Des Sieges bittere Tränen

Titel: Des Sieges bittere Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem hohen Schiffsrumpf empor und schüttelte den Kopf über das Gewirr von Tauen, Ketten, Balken, Kränen, Klappen und Rollen.
    »Wenn man bedenkt, daß alles seinen eigenen Namen hat«, sagte er. »Die Seefahrt ist eine Wissenschaft für sich.«
    »Tiermedizin ist leichter.« Hartung lachte und steckte die Hände in die Taschen. »Da kommt man mit einer schwarzen und einer gelben Salbe aus, vier verschiedenen Tabletten, einer Einlaufspritze und einer Grunddiagnose. Sie wissen, was ich meine, Doktor? Da ist ein Pferd mit Koliken. Der Tierarzt kommt, sagt zu dem Besitzer des Pferdes: ›Heben Sie mal den Schwanz und sehen Sie ins Loch!‹, tritt selbst ans Maul, reißt es auf und blickt auch hinein. ›Sehen Sie mich?‹ ruft er dem Pferdehalter zu. Der antwortet: ›Nein!‹ Darauf der Tierarzt: ›Klare Diagnose: Darmverschlingung!‹«
    »Ein uralter Hut, den nicht mal ein Esel frißt!« Dr. Rölle verzog das Gesicht. Dann erhellte es sich, und seine Figur straffte sich. Er fuhr sich mit der Hand schnell über das Haar und begann zu lächeln, mit einem so romantischen Blick, daß Hartung verblüfft die Zigarette auf den Boden warf.
    »Ist Ihnen nicht wohl, Doktor?« fragte er.
    »Afrika ist ein schönes Land.«
    Hartung stieß Dr. Rölle vorsichtig in die Seite. »Doktor, allen Ernstes, haben Sie einen Anfall? Natürlich ist Afrika schön, aber Sie stehen da wie hypnotisiert! Beim Anblick eines dreckigen Schiffskörpers.«
    »Es kann gar keinen schöneren Körper geben. Horst, wenden Sie mal die Augen nach links. Halt.« Dr. Rölle hielt Hartungs Kopf fest. »Ehe Sie hinblicken – diesmal ist es für mich reserviert! Feste Regel bei den Seefahrern, wer das Land entdeckt, dem gehört es! So – und nun Augen links!«
    Hartung drehte sich herum. Er wollte lachen über Dr. Rölles verschrobenen Einfall, aber das Lachen blieb ihm vor Staunen in der Kehle stecken.
    Aus einem schweren englischen Wagen stieg gerade eine Frau. Rote, leuchtende Haare, schmales Gesicht, lange Beine in weißen, enganliegenden Hosen, kurvenreicher Oberkörper in einer fast durchsichtigen geblümten Bluse. Ein farbiger Chauffeur in weißer Uniform rannte um das Auto herum und klappte den Kofferraum auf. Rote Lederkoffer wurden vorsichtig auf den Boden gehoben.
    »Rot scheint ihre Farbe zu sein«, sagte Hartung und strich seinen Rock glatt.
    »Aha!« knirschte Dr. Rölle hinter ihm.
    »Was heißt hier aha!«
    »Sie stellen sich schon in Positur, Horst. Diese Dame da ist für Sie off limits!«
    »Sogar einen roten Schirm hat sie«, sagte Hartung. »Vielleicht die Tochter des sowjetischen Botschafters?«
    »Ihre dummen Witze!« Dr. Rölle schob sich an Hartung vorbei nach vorn. »Denken Sie daran, Angela ist schon an Bord! Ich aber bin Witwer! Und da diese Dame allem Anschein nach auch auf unserem Schiff nach Australien fahren will, kann man Komplikationen entgehen, indem Sie, Horst, sich nicht um sie kümmern.«
    »Ein meisterhafter Satz.« Hartung klopfte Dr. Rölle von hinten auf die Schultern. »Viel Glück, Doktor. Die Dame wird begeistert sein, wenn Sie ihr die erste Eiweißurinprobe unserer Pferde vorführen!«
    Die Dame mit den roten Haaren hatte ihre Koffer gezählt, sprach mit ihrem pechschwarzen Chauffeur und winkte dann zum Schiff hin. Auf dem Fallreep für Passagiere erschien oben eine weiße Gestalt, der Erste Zahlmeister. Er grüßte stramm und sah in seiner Uniform sehr attraktiv aus.
    »Schon ist sie da, die Konkurrenz«, lachte Hartung leise und gab Dr. Rölle einen Stoß in den Rücken. »Auf in den Kampf, Doktor. Sie konnten Uniformen ja nie leiden. Boxen Sie den Zahlmeister aus dem Feld. Aha, jetzt kommt die Dame in Rot. Genau auf uns zu. Kein Herzklopfen, Doktor! Ich gebe zu – die schönste Stute verblaßt dagegen.«
    Die Dame – beim Näherkommen sah man, daß sie nicht älter als fünfundzwanzig sein konnte – blieb plötzlich mit einem Ruck bei den Pferdewagen der deutschen Equipe stehen und lächelte an Dr. Rölle vorbei Horst Hartung an. Es war ein so betörendes, jedes Männerherz treffendes Lächeln, daß Dr. Rölle verhalten schnaufte. Die Sonne reflektierte in ihrem Haar und ließ es in vielfarbigen Rot- und Goldtönen flimmern.
    »Sie sind Horst Hartung, nicht wahr?« fragte die Dame in fließendem Deutsch mit einem leichten englischen Akzent.
    Hartung verbeugte sich kurz. »Ihre Vermutung ist richtig, Madam.«
    »Ich bin nicht verheiratet.« Wieder das Lächeln. »Ich habe Sie nach Bildern wiedererkannt.

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