Des Teufels Alternative
hinter Gefängnisgittern verschimmeln – nicht mit ihrem Geheimnis! Aber wir müssen uns beeilen, denn Moskau wird nicht lange brauchen, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Die Sowjets haben jetzt eine Spur; sie werden bald wissen, wer Iwanenko erschossen hat. Dann werden sie zuschlagen. Wir müssen ihnen zuvorkommen.«
Der Zorn des sowjetischen Botschafters in Washington verblaßte vor der Wut seines Bonner Kollegen, als der russische Diplomat zwei Tage später dem deutschen Außenminister gegenüberstand. Die Weigerung der Bundesregierung, die beiden Mörder den sowjetischen oder den DDR-Behörden auszuliefern, sei ein flagranter Bruch der bisher freundschaftlichen Beziehungen der beiden Staaten und könne nur als feindseliger Akt aufgefaßt werden, behauptete der Botschafter.
Dem Bundesaußenminister war dabei zutiefst unbehaglich zumute. Insgeheim wünschte er sich, die Tupolev wäre auf der Landebahn in Ostberlin stehengeblieben. Er sparte sich den Hinweis, die Sowjetunion solle sich, da sie stets darauf bestanden habe, Westberlin sei kein Teil der Bundesrepublik Deutschland, in diesem Fall an den Berliner Senat wenden.
Der Botschafter trug seine Argumente zum drittenmal vor: Die Täter seien Sowjetbürger, die Opfer seien Sowjetbürger, die Verkehrsmaschine habe als sowjetisches Territorium zu gelten, die Entführung habe sich im sowjetischen Luftraum abgespielt, und der Mord sei auf oder wenigstens unmittelbar über dem Zentralflughafen der DDR verübt worden. Deshalb seien die Täter in der Sowjetunion oder zumindest in der DDR vor Gericht zu stellen.
Der Außenminister machte ihn höflich darauf aufmerksam, daß es international üblich sei, Flugzeugentführer in dem Land, in dem sie gelandet seien, vor Gericht zu stellen, falls der betreffende Staat darauf bestehe. Damit solle selbstverständlich nicht der geringste Zweifel an der Korrektheit eines sowjetischen Gerichtsverfahrens zum Ausdruck gebracht werden.
Ganz im Gegenteil! dachte er im stillen. In der Bundesrepublik waren Regierung, Presse und Öffentlichkeit gleichermaßen davon überzeugt, daß eine Auslieferung für Mischkin und Lasareff Verhöre durch das KGB, einen Schauprozeß und schließlich den Tod durch Erschießen bedeuten würde. Außerdem waren die beiden Männer Juden, was die Sache nicht einfacher machte.
In den ersten Januartagen ist die Presse meistens dankbar für jede Nachricht, und so walzten die deutschen Zeitungen den Vorfall begeistert aus. Die konservative und auflagenstarke Springer-Presse vertrat nachdrücklich den Standpunkt, die beiden Entführer müßten trotz der Schwere ihrer Tat einen fairen Prozeß erhalten, der nur in der Bundesrepublik gewährleistet sei. Die bayerische CSU, von der die Regierungskoalition abhing, schlug in die gleiche Kerbe. Bestimmte Kreise versorgten die Presse mit präzisen Angaben über die neuesten KGB-Unterdrückungsmaßnahmen in dem Gebiet um Lwow, aus dem die Entführer kamen, wobei sie mit gruseligen Details nicht sparten – was den Lesern den Gedanken suggerieren sollte, die Flucht vor diesem Terror sei nur allzu gerechtfertigt gewesen, auch wenn die Anwendung von Gewalt zu bedauern sei. Und nachdem erst vor kurzem wieder ein hoher Bonner Beamter als Ostagent enttarnt worden war, konnte die Regierung kaum damit rechnen, mit einer allzu nachgiebigen Haltung gegenüber Moskau bei der Bevölkerung Beifall zu finden. Und da Landtagswahlen vor der Tür standen …
Der Minister hatte seine Anweisungen vom Bundeskanzler erhalten. Er teilte dem Botschafter mit, Mischkin und Lasareff würden so rasch wie möglich in Westberlin vor Gericht gestellt; mit ihrer Verurteilung zu längeren Haftstrafen sei zu rechnen.
Die Politbürositzung gegen Ende der Woche verlief stürmisch. Die Tonbandgeräte waren erneut ausgeschaltet, die Stenografen nicht im Raum.
»Empörend!« fauchte Wischnajew. »Ein weiterer Skandal, der dem Ansehen der Sowjetunion in der Weltöffentlichkeit größten Schaden zufügen wird. Das hätte nie passieren dürfen!«
Er deutete damit an, daß das nur wegen der unaufhaltsam erlahmenden Führungskraft Maxim Rudins möglich gewesen sei.
»Es wäre auch nicht passiert«, erwiderte Petrow, »wenn die Jäger des Genossen Marschall die Verkehrsmaschine nach alter Sitte über Polen abgeschossen hätten.«
»Die Verbindung zwischen der Jägerleitstelle und dem Kettenführer ist unterbrochen gewesen«, behauptete Kerenski. »So was kommt nur einmal in einer Million Fällen
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