Des Teufels Alternative
anderen durch die Stahltür und warf sie hinter sich ins Schloß. Damit war die Tür automatisch verriegelt.
Zwei Minuten später nahm die Tupolev auf Verlangen der mit Pistolen bewaffneten Entführer Dawid Lasareff und Lew Mischkin Kurs auf Berlin, das gerade noch innerhalb der Reichweite der Maschine lag. Flugkapitän Rudenko war blaß vor Zorn, als er die Maschine nach Westen steuerte. Sein Kopilot Watutin beantwortete langsam die aufgeregten Anfragen der Beamten im Kontrollturm Minsk, die die plötzliche Kursänderung bemerkt hatten.
Noch bevor die Verkehrsmaschine die sowjetisch-polnische Grenze überflogen hatte, wußten Minsks Turm und vier weitere Verkehrsflugzeuge auf der gleichen Frequenz, daß die Tupolev sich in der Hand von Entführern befand. Als die Maschine Warschau überflog, war Moskau bereits informiert.
150 Kilometer westlich von Warschau schoß eine Kette von sechs in Polen stationierten sowjetischen MiG 23 von Steuerbord an die Verkehrsmaschine heran. Der Kettenführer erstattete über Funk Bericht.
An seinem Schreibtisch im Verteidigungsministerium in der Moskauer Frunzestraße nahm Marschall Nikolai Kerenski einen dringenden Anruf an dem Apparat entgegen, der ihn mit dem Hauptquartier der sowjetischen Luftwaffe verband.
»Wo?« blaffte er.
»Über Posen«, antwortete eine Stimme. »Dreihundert Kilometer vor Berlin. Noch fünfundzwanzig Minuten Flugzeit.«
Der Marschall überlegte. Dies konnte der Skandal sein, den Wischnajew gefordert hatte. Was zu tun war, stand außer Zweifel: Die Tu 134 mußte mitsamt ihrer Besatzung und den Passagieren abgeschossen werden. Später konnte man behaupten, die Entführer hätten in der Kabine um sich geschossen und die Maschine zum Absturz gebracht. Das war in den vergangenen zehn Jahren zweimal passiert.
Dann erteilte er seine Befehle. Fünf Minuten später erreichten sie den Kettenführer, der mit seiner MiG 23 dicht neben dem Tragflächenende der Verkehrsmaschine hing.
»Jawohl, Genosse Oberst«, sagte er, als der Horstkommandant ihm seine Anweisungen gegeben hatte. Eine Viertelstunde später überflog die Tupolev die Oder-Neiße-Grenze und begann mit dem Landeanflug auf Berlin. Die MiGs lösten ihre Formation auf und flogen zu ihrem Stützpunkt zurück.
»Ich muß Berlin mitteilen, daß wir kommen«, sagte Flugkapitän Rudenko zu Mischkin. »Falls die Landebahn nicht frei ist, gibt’s ein Unglück.«
Mischkin starrte den stahlgrauen, wolkenverhangenen Winterhimmel an. Er war noch nie geflogen, aber was der Pilot sagte, klang vernünftig.
»Gut«, stimmte er zu, »durchbrechen Sie die Funkstille und teilen Sie Tempelhof mit, daß wir kommen. Keine Fragen, sondern nur diese Feststellung.«
Flugkapitän Rudenko beugte sich nach vorn, stellte die neue Frequenz ein und begann zu sprechen.
»Tempelhof, Westberlin. Tempelhof, Westberlin. Hier ist Aeroflot Flug drei-fünf-eins …«
Er sprach Englisch, die internationale Sprache der Flugsicherungsdienste. Mischkin und Lasareff beherrschten nur wenige Brocken Englisch, die sie aus westlichen Rundfunksendungen aufgeschnappt hatten. Mischkin drückte Rudenko die Mündung seiner Pistole in den Nacken.
»Keine Tricks!« warnte er ihn auf ukrainisch.
Im Kontrollturm des Ostberliner Flughafens Schönefeld wechselten die beiden Fluglotsen einen überraschten Blick. Sie wurden auf ihrer eigenen Frequenz gerufen, aber mit »Tempelhof« angesprochen. Daß eine Aeroflotmaschine freiwillig in Westberlin landen wollte, war ausgeschlossen – und außerdem war Tempelhof schon seit fünf Jahren nicht mehr der Westberliner Zivilflughafen. Tempelhof war wieder amerikanischer Luftwaffenstützpunkt geworden, nachdem der zivile Luftverkehr nach Tegel verlegt worden war. Der erste der beiden Ostdeutschen, der sich von seiner Verblüffung erholt hatte, griff nach dem Mikrofon.
»Aeroflot drei-fünf-eins, hier Tempelhof. Frei zur Landung auf Runway null-sieben, QNH eins-null-eins-zwo, Wind …«
Flugkapitän Rudenko schluckte trocken, bevor er diese Angaben wiederholte und das Fahrwerk sowie die Klappen ausfuhr. Die Tu 134 befand sich im Anflug auf den Zentralflughafen der DDR. In 1200 Fuß Höhe durchstießen sie die tiefe Wolkendecke und sahen die Platzbefeuerung vor sich. Die Maschine sank auf 500 Fuß.
Mischkin starrte mißtrauisch durch die regennassen Scheiben nach vorn. Er hatte schon viel von Westberlin gehört: von Lichtreklamen, Autoschlangen auf den Straßen, vom Großstadtleben auf dem
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