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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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Nigel war fest entschlossen, dafür zu sorgen, daß auch nach Ablauf seiner Dienstzeit die Reihe der Professionellen an der Spitze der Firma fortgesetzt würde. Aus diesem Grund war er ebenso wie jeder seiner unmittelbaren Amtsvorgänger peinlich darauf bedacht, keine ehrgeizigen Einzelkämpfer aufsteigen zu lassen.
    »Wir sind ein Dienst und keine Trapeztruppe«, erklärte er den Neuen in Beaconsfield jedesmal bei der Begrüßung. »Wir sind nicht da, um Applaus einzuheimsen.«
    Es war bereits dunkel, als Sir Nigel die drei Personalakten auf den Schreibtisch bekam, aber er wollte die Wahl noch an diesem Tag treffen und nahm dafür Überstunden in Kauf.
    Er verbrachte eine Stunde damit, die Unterlagen durchzusehen, obwohl eigentlich schnell feststand, für wen er sich entscheiden würde. Schließlich rief er den Personalchef an, der ebenfalls noch im Hause war, und bat ihn zu sich herauf. Zwei Minuten später führte seine Sekretärin den Abteilungsleiter in sein Büro.
    Sir Nigel, ein liebenswürdiger Gastgeber, schenkte seinem Besucher und sich einen Whisky-Soda ein. Nicht bereit, auf die Annehmlichkeiten des Lebens zu verzichten, hatte er sich sein Arbeitszimmer geschmackvoll eingerichtet – vielleicht als Entschädigung für seinen Fronteinsatz in den Jahren 1944/45 und die heruntergekommenen Wiener Hotels, in denen er Ende der vierziger Jahre als junger Agent der Firma gehaust hatte. Damals hatte er Russen in der sowjetisch besetzten Zone Österreichs anzuwerben versucht. Er konnte mit sich zufrieden sein: Zwei seiner damals angeworbenen Informanten, sogenannte »Schläfer«, die sich jahrelang still verhalten hatten, arbeiteten noch heute für den SIS.
    Obwohl der SIS in einem modernen Gebäude aus Stahl, Beton und Glas untergebracht war, dominierte im Arbeitszimmer des Generaldirektors ein älterer, eleganterer Stil. Die Tapete war in warmem Hellbraun gehalten, der Spannteppich in dunklem Orange. Der Schreibtisch mit dem Lehnstuhl, die beiden Besuchersessel und das schwarze Ledersofa waren echte alte Stücke.
    Aus den Kunst-Beständen des Staates, die den britischen Behördenchefs für die Ausschmückung ihrer Arbeitszimmer zur Verfügung stehen, hatte Sir Nigel sich einen Dufy, einen Vlaminck und einen möglicherweise tatsächlich echten Breughel ausgesucht. Er hatte auch mit einem kleinen, exquisiten Fragonard geliebäugelt, der ihm dann aber von einem Emporkömmling aus dem Schatzamt vor der Nase weggeschnappt worden war.
    Im Gegensatz zum Außenministerium, an dessen Wänden Ölporträts früherer Minister wie Canning und Grey hängen, hat die Firma von jeher eine Ahnengalerie abgelehnt. Wahrscheinlich hätten auch die auf äußerste Zurückhaltung bedachten englischen Spitzenspione wenig Wert darauf gelegt, ihre Bilder in der Öffentlichkeit zu sehen. Auch Porträts der Königin in vollem Ornat waren nicht sonderlich beliebt, während im Weißen Haus und in Langley die Wände mit signierten Fotos des jeweiligen Präsidenten bepflastert waren.
    »Daß man in diesem Gebäude für Königin und Vaterland arbeitet, braucht nicht eigens unterstrichen zu werden«, war einem erstaunten CIA-Mann aus Langley einmal erklärt worden. »Wer das nicht weiß, würde ohnehin hier nicht arbeiten.«
    Sir Nigel wandte sich von seinem angelegentlichen Studium der Lichter jenseits der Themse ab.
    »Sieht so aus, als müßten wir Munro nehmen, nicht wahr?« fragte er.
    »Ja, das glaube ich auch«, antwortete der Personalchef.
    »Was für ein Mensch ist er? Ich habe seine Akte gelesen und kenne ihn nur flüchtig. Wie ist Ihr persönlicher Eindruck?«
    »Er ist schweigsam.«
    »Gut.«
    »Neigt zum Einzelgängertum.«
    »Schlecht.«
    »Seine Russischkenntnisse dürften entscheidend sein«, sagte der Personalchef. »Die beiden anderen sprechen passables Russisch. Munro dagegen kann sich glatt als Russe ausgeben. Was er normalerweise nicht tut. Offiziell spricht er mit starkem Akzent und keineswegs fehlerfrei. Sobald er diese Tarnung aufgibt, ist er nicht mehr von einem Einheimischen zu unterscheiden. Bei einer so kurzfristigen Übernahme von Mäusebussard und Moorente wären hervorragende Russischkenntnisse von Vorteil.«
    Mäusebussard und Moorente waren die Codenamen der beiden von Lessing rekrutierten und geführten Informanten. Russische Agenten der Firma in der Sowjetunion erhalten im allgemeinen Vogelnamen, deren Anfangsbuchstabe auf den Zeitpunkt der Rekrutierung hinweist. Die beiden mit dem Buchstaben M waren erst vor

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