Des Teufels Alternative
kurzem angeworben worden. Sir Nigel knurrte.
»Gut, wir nehmen Munro. Wo ist er jetzt?«
»Im Ausbildungszentrum in Beaconsfield. Gibt praktischen Unterricht.«
»Lassen Sie ihn morgen nachmittag herkommen. Da er ledig ist, kann er vermutlich sofort abreisen. Er soll nicht lange herumsitzen. Ich besorge morgen früh die Zustimmung des Außenministeriums zu seiner Ernennung als Lessings Nachfolger in der Handelsabteilung.«
Beaconsfield in Buckinghamshire liegt unmittelbar vor den Toren Londons und war früher eine beliebte Wohngegend für angesehene und reiche Londoner, die dort ihre eleganten Landhäuser hatten. Seit den siebziger Jahren dienten die meisten dieser Gebäude jedoch als Ausbildungsstätten, Erholungsheime, Management- und Marketingakademien oder auch als Sektentempel. In einem solchen Landhaus war die Russischschule der drei Teilstreitkräfte untergebracht, was kein Geheimnis war; eine andere, etwas kleinere Villa beherbergte das SIS-Ausbildungszentrum, und das war streng geheim.
Adam Munros praktischer Unterricht war nicht zuletzt deshalb beliebt, weil er eine Unterbrechung bei den langweiligen Ver- und Entschlüsselungsübungen darstellte. Die Kursteilnehmer hörten aufmerksam zu, und Munro war sich dessen bewußt.
»Gut«, sagte er an diesem Vormittag in der letzten Woche des Monats. »Jetzt sehen wir uns mal einige knifflige Situationen an und überlegen, wie man mit ihnen fertig wird.«
Die Klasse schwieg gespannt. Routinemäßige Verfahren wurden auf die Dauer langweilig; eine schwierige Lage, die es zu meistern galt, war interessanter.
»Sie müssen ein Päckchen von einem Kontaktmann übernehmen«, sagte Munro. »Aber Sie werden von der Polizei beschattet. Wenn Sie festgenommen werden, genießen Sie als Diplomat Immunität, aber Ihr Kontaktmann hat nichts dergleichen. Er ist ohne jeden Schutz, weil er ein Einheimischer ist. Er kommt zu einem Treff, und Sie können ihn nicht mehr umbestellen. Da er weiß, daß er auffällt, wenn er sich zu lange dort herumtreibt, wartet er nicht länger als zehn Minuten auf Sie. Was tun Sie also?«
»Ich schüttle den Beschatter ab«, schlug jemand vor. Munro winkte ab.
»Sie sind erstens ein scheinbar harmloser Diplomat, kein Entfesselungskünstler. Sobald Sie den Beschatter abschütteln, verraten Sie sich als ausgebildeter Agent. Zweitens braucht Ihnen das nicht zu gelingen. Falls das KGB seine erste Garnitur einsetzt, haben Sie keine Chance – es sei denn, Sie würden in der Botschaft verschwinden. Überlegen Sie noch mal!«
»Aufgeben«, sagte ein anderer. »Nicht hingehen. Die Sicherheit des schutzlosen Kontaktmannes geht vor.«
»Richtig«, bestätigte Munro. »Aber nun kann Ihr Mann das Päckchen nicht ewig behalten, und er hat keine Ahnung, wo der nächste Übergabeversuch stattfinden soll.« Er machte eine Pause. »Oder weiß er das vielleicht doch?«
»Für den Fall, daß die erste Übergabe nicht klappt, ist ein zweiter Treff vereinbart«, schlug ein anderer Kursteilnehmer vor.
»Gut«, sagte Munro. »In der guten alten Zeit, als Sie noch nicht überwacht wurden, haben Sie ihm für so einen Fall eine ganze Reihe von Ersatztreffs genannt. Er wartet also zehn Minuten lang, und da Sie nicht aufkreuzen, geht er, nett wie er ist, zum zweiten Treffpunkt. Wie heißt dieser Vorgang?«
»Absetzen«, antwortete der Teilnehmer, der den Geistesblitz gehabt hatte, seinen Beschatter abschütteln zu wollen.
»Erstes Absetzen«, korrigierte Munro ihn. »In ein paar Monaten üben wir das alles in den Londoner Straßen, merken Sie sich also die Begriffe.« Sie kritzelten eifrig. »Gut, Sie haben einen zweiten Treff vereinbart, aber Sie werden weiterhin beschattet. Sie sind also noch nicht weitergekommen. Was passiert an dem ersten Absetztreff?«
Die Kursteilnehmer schwiegen. Munro ließ ihnen dreißig Sekunden Zeit.
»Sie kommen dort nicht mit Ihrem Kontaktmann zusammen«, erklärte er ihnen. »Sie haben ihm beigebracht, daß der zweite Treff immer ein Ort ist, an dem er Sie sehen kann, ohne daß Sie in seine Nähe kommen. Sobald Sie wissen, daß er Sie beobachtet – vielleicht von einer Terrasse oder von einem Café aus, aber immer nur von weitem –, geben Sie ihm ein Zeichen. Sie tun irgendwas: kratzen sich am Ohr, putzen sich die Nase oder lassen Ihre Zeitung fallen und heben sie wieder auf. Was bedeutet das für den Kontaktmann?«
»Daß er wie vorher vereinbart zu einem dritten Treff kommen soll.«, sagte jemand.
»Genau! Aber Sie werden
Weitere Kostenlose Bücher