Des Teufels Alternative
über seine wirkliche Aufgabe informiert. Die Tatsache, daß er im ziemlich fortgeschrittenen Alter von 46 Jahren nur Erster Sekretär in der Handelsabteilung war, wurde durch seinen späten Eintritt in den diplomatischen Dienst erklärt.
Der Leiter der Handelsabteilung sorgte dafür, daß sein neuer Mitarbeiter nur einfache Vorgänge zu bearbeiten hatte. Munro war von dem Botschafter in dessen Arbeitszimmer kurz förmlich begrüßt worden, und der Botschaftskanzler hatte ihn zu einem zwanglosen Drink eingeladen. Er lernte den größten Teil des Personals kennen und wurde auf Partys mitgenommen, um zahllosen Diplomaten anderer westlicher Botschaften vorgestellt zu werden. Außerdem traf er sich mit seinem Kollegen von der amerikanischen Botschaft zu einem Erfahrungsaustausch. Der CIA-Agent bestätigte ihm, daß das »Geschäft« im Augenblick ruhig sei.
Obgleich es auffällig gewesen wäre, wenn ein Mitarbeiter der Britischen Botschaft in Moskau kein Russisch gesprochen hätte, beschränkte sich Munro in Gegenwart von Kollegen und gegenüber Russen, die er bei seiner Einführung kennenlernte, auf ein gestelztes, mit einem starken Akzent behaftetes Russisch. Auf einer Gesellschaft unterhielten sich zwei Beamte des sowjetischen Außenministeriums in seiner Nähe in ihrer Umgangssprache. Sie redeten sehr schnell, aber Munro verstand jedes Wort und übermittelte das Gespräch nach London, da es nicht uninteressant gewesen war.
Am zehnten Tag seines Aufenthalts saß Munro allein auf einer Bank in dem weitläufigen Park der Ausstellung der volkswirtschaftlichen Errungenschaften der UdSSR im Norden Moskaus. Er wollte dort mit dem von Lessing übernommenen Agenten aus der Roten Armee Kontakt aufnehmen.
Munro war 1936 als Sohn eines Edinburgher Arztes geboren worden und hatte trotz des Krieges eine gutbürgerliche, unbeschwerte Kindheit verbracht. Ab dem 13. Lebensjahr hatte er fünf Jahre lang das Fettes College, eine der besten Schulen Schottlands, besucht. Dort hatte sich gezeigt, daß der Junge ein ungewöhnlich gutes Ohr für Fremdsprachen besaß.
1954 hatte noch allgemeine Wehrpflicht bestanden. Munro war zur Armee eingezogen worden und nach der Grundausbildung zu dem ehemaligen Regiment seines Vaters gekommen: den First Gordon Highlanders. Im Spätsommer des gleichen Jahres war er nach Zypern versetzt worden und hatte im Troodosgebirge an Operationen gegen EOKA-Partisanen teilgenommen.
Auch auf der Moskauer Parkbank hatte er das Bauernhaus noch deutlich vor Augen. Sie hatten einen Tip von einem Informanten bekommen und waren die halbe Nacht lang durchs Heidekraut gekrochen, um das Haus zu umzingeln. Als es langsam hell wurde, lag Munro allein in einer Senke hinter dem etwas erhöht stehenden Haus in Stellung. Bei Tagesanbruch stürmte der größte Teil seines Zuges den Bauernhof. Die Männer liefen auf der anderen Seite den flachen Hügel hinauf, die Sonne im Rücken. Munro hörte jenseits des Gebäudes Maschinenpistolen in der kühlen Morgenluft hämmern. Im Licht der ersten Sonnenstrahlen konnte er zwei Gestalten sehen, die aus den Fenstern auf der Rückseite des Hauses kletterten und im Schatten blieben, bis ihre überstürzte Flucht in die Senke sie aus der Deckung des Gebäudes herausführte. Sie liefen genau auf Munro zu, der hinter einem umgestürzten Olivenbaum kauerte. Ihre Schritte wurden unsicher, als sie sich bemühten, auf dem Schieferboden das Gleichgewicht zu bewahren. Sie kamen näher, und einer von ihnen hielt etwas in der rechten Hand, das wie ein kurzer schwarzer Stock aussah. Selbst wenn er sie angerufen hätte, sagte Munro sich später, hätten sie in ihrem Schwung nicht mehr bremsen können. Aber damals hatte er sich das nicht gesagt. Er reagierte, wie er es in der Ausbildung gelernt hatte: Er sprang auf, als sie noch etwa 15 Meter von ihm entfernt waren, und gab zwei kurze, tödliche Feuerstöße ab.
Die Wucht der Geschosse riß die beiden von den Beinen, warf sie hoch und schmetterte sie auf den Schieferboden am Fuß des Hanges. Noch während eine blaue Korditwolke aus der Mündung seiner Maschinenpistole stieg, trat Munro vor, um auf die Leichen hinabzusehen. Er hatte erwartet, sich übergeben zu müssen oder ohnmächtig zu werden. Aber er empfand nichts – nur kalte Neugier. Er betrachtete die Gesichter. Sie waren Jungen, nicht einmal so alt wie er, und er war achtzehn.
Sein Sergeant kam durch den Olivenhain angepoltert.
»Gut gemacht, mein Sohn!« rief er. »Du hast sie
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