Des Teufels Alternative
Lew Rebet und Stefan Bandera ermordet hatte. Die Waffe arbeitete immer noch nach demselben einfachen Prinzip, aber man hatte die Wirkung des Gases verstärkt. In dem Röhrchen steckte eine mit Blausäure gefüllte Glaskugel. Der Auslöser ließ einen durch Federkraft gespannten Bolzen nach vorn schnellen, der das Glas zertrümmerte. Gleichzeitig wurde die Blausäure durch Preßluft aus einem kleinen Druckbehälter zerstäubt und schoß als unsichtbare Giftgaswolke in die Atemwege des Opfers. Innerhalb einer Stunde verflüchtigte sich der verräterische Bittermandelgeruch der Blausäure, während die Muskelstarre wieder abklang, so daß das Ganze schließlich aussah wie ein simpler Herzschlag.
Da wohl niemand glaubte, daß zwei junge Männer zum selben Zeitpunkt einen tödlichen Herzanfall erleiden, würden die Behörden mit Sicherheit eine Untersuchung anordnen und dabei auch das Gefängnisgebäude durchsuchen. Die Gaspistolen im Spind von Jahns Kollegen würden den Mann unwiderlegbar belasten.
»Das … das kann ich nicht«, flüsterte Jahn.
»Aber ich kann dafür sorgen, daß Ihre Angehörigen für den Rest ihres Lebens in einem Arbeitslager in der Arktis verschwinden«, sagte der Russe halblaut. »Und ich werde es tun! Sie stehen vor einer einfachen Entscheidung, Herr Jahn. Sie brauchen Ihre Skrupel nur für zehn Minuten zu überwinden, um ihnen allen das Leben zu retten! Denken Sie darüber nach.«
Kukuschkin griff nach Jahns Hand, drehte sie um und legte die beiden Metallröhrchen hinein.
»Denken Sie darüber nach – aber nicht zu lange«, riet er ihm. »Dann gehen Sie in die Zellen und tun’s einfach. Das ist alles.«
Er stand auf und ging, nachdem er an der Theke gezahlt hatte. Einige Minuten später steckte Jahn die Gaspistolen in die Tasche seines Regenmantels und ging ins Gefängnis Tegel zurück. Um Mitternacht – in drei Stunden – würde er den diensthabenden Oberaufseher ablösen. Um 1 Uhr würde er die Zellen betreten und es tun. Er wußte, daß ihm nichts anderes übrigblieb.
Als die Abenddämmerung herabsank, schaltete die Nimrod über der Freya von der tagsüber benützten F-126-Kamera auf die für Nachtaufnahmen geeignete F-135-Kamera um. Sonst änderte sich nichts. Die mit Infrarot arbeitende Nachtkamera überwachte das 5000Meter unter ihr liegende Schiff auch bei Dunkelheit. Wenn Latham wollte, konnte er mit Hilfe des Elektronenblitzes der Infrarotkamera Standfotos machen oder den eine Million Kerzen starken Suchscheinwerfer seiner Maschine einschalten.
Die Nachtkamera war jedoch nicht empfindlich genug, um zu registrieren, daß der seit dem Spätnachmittag an Deck liegende Mann in dem roten Anorak sich langsam bewegte, unter den Catwalk kroch und sich darunter nach achtern vorarbeitete. Niemand sah ihn die Aufbauten erreichen, durch eine halboffene Tür kriechen und dahinter aufstehen.
Als der Tag anbrach, hatten die Beobachter keine andere Erklärung für das Verschwinden der Leiche, als daß sie in der Nacht über Bord geworfen worden sei.
Der Mann in dem roten Anorak betrat die Kombüse, um sich aufzuwärmen. Er zitterte vor Kälte. Dort traf er einen seiner Kameraden an, der ihm einen großen Becher heißen Kaffee einschenkte. Er trank ihn aus, stieg zur Brücke hinauf und zog wieder die schwarzen Kleidungsstücke an, mit denen er an Bord gekommen war.
»Mann, du hast gut getroffen!« sagte er zu dem Wachhabenden auf der Brücke. »Ich hab den Gasdruck der Platzpatronen durch die Jacke gespürt.«
Der andere grinste.
»Andrej hat eine realistische Erschießung befohlen«, antwortete er. »Die Sache hat übrigens geklappt: Mischkin und Lasareff werden morgen früh um acht Uhr freigelassen. Am Nachmittag sind sie bereits in Tel Aviv.«
»Sehr gut! Hoffentlich klappt Andrejs Absetzplan für uns auch so gut«, sagte der Amerikaner.
»Keine Angst, der klappt bestimmt«, versicherte sein Kamerad. »Zieh deine Maske über und bring dem Yankee im Farbenraum seine Klamotten zurück. Dann legst du dich am besten aufs Ohr. Du hast ab sechs Uhr Wache.«
Sir Julian Flannery berief den Krisenstab innerhalb einer Stunde nach seinem Gespräch mit der Premierministerin erneut ein. Sie hatte ihm inzwischen die jüngste Entwicklung der Dinge erläutert und ihn sowie Sir Nigel Irvine zum Schweigen verpflichtet. Die Mitglieder des Krisenstabes sollten lediglich erfahren, daß die angekündigte Freilassung Mischkins und Lasareffs je nach Entscheidung des deutschen Bundeskanzlers
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