Des Teufels Alternative
aufgeschoben oder widerrufen werden würde.
In einem anderen Raum in Whitehall wurden alle verfügbaren Informationen über die Freya , ihre Besatzung, ihre Ladung und das Ausmaß der möglicherweise zu erwartenden katastrophalen Schäden elektronisch direkt nach Washington übertragen.
Sir Julian hatte Glück gehabt: Keiner der wichtigsten Spezialisten des Krisenstabs wohnte mehr als 30 Autominuten von Whitehall entfernt. Die meisten waren zu Hause beim Abendessen. Keiner war übers Wochenende aufs Land gefahren. Nur zwei mußten in Restaurants verständigt werden, ein anderer war im Theater. Bis 21 Uhr 30 war der Krisenstab wieder fast vollzählig versammelt.
Es sei davon auszugehen, erklärte Sir Julian den Anwesenden, daß der Fall Freya inzwischen das Ausmaß einer echten Krise angenommen habe.
»Wir können damit rechnen, daß der Kanzler der Bundesrepublik einwilligen wird, die Freilassung hinauszuschieben, sobald einige andere Punkte zufriedenstellend geklärt sind. Tut er das, müssen wir damit rechnen, daß die Terroristen zumindest ihre erste Drohung wahrmachen und Rohöl von Bord der ›Freya‹ ins Meer pumpen. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie sich der von zwanzigtausend Tonnen Öl angerichtete Schaden möglichst gering halten läßt – und was zu tun ist, wenn es sich um die fünfzigfache Menge handelt.«
Das Bild, das die anschließende Erörterung der Lage ergab, war wenig ermutigend. Die gleichgültige Haltung der Öffentlichkeit hatte eine spürbare Nachlässigkeit der politischen Instanzen in Fragen des Umweltschutzes bewirkt. Trotzdem verfügte Großbritannien über mehr Ölbindemittel und über eine größere Anzahl zur Bekämpfung von Ölkatastrophen ausgerüsteter Spezialschiffe als das gesamte übrige Europa.
»Wir müssen davon ausgehen, daß die Hauptlast der Verhinderung ökologischer Schäden uns zufallen wird«, sagte der Wissenschaftler Dr. Henderson von den Warren Springs Laboratories. »Als vor fünf Jahren die ›Amoco Cadiz‹ sank, haben die Franzosen sich geweigert, unsere Hilfe anzunehmen, obwohl wir bessere Ölbindemittel und bessere Geräte hatten als sie. Die französischen Fischer haben diese Dummheit bitter büßen müssen. Die altmodischen Detergenzien haben ebenso hohe Schäden angerichtet wie das Öl selbst – und dabei sind sie nicht einmal in ausreichenden Mengen vorhanden gewesen. Man hätte ebensogut versuchen können, einen Tiger mit einem Flitzebogen zu erlegen.«
»Ich zweifle nicht daran, daß die Deutschen, die Holländer und die Belgier sofort eine gemeinsame Bekämpfung der Ölpest vorschlagen werden«, sagte der Mann vom Außenministerium.
»Dann müssen wir darauf vorbereitet sein«, entschied Sir Julian. »Wieviel haben wir von dem Mittel vorrätig?«
Dr. Henderson aus Warren Springs konnte Auskunft geben:
»Das beste Ölbindemittel bindet in konzentrierter Form etwa das Zwanzigfache seines eigenen Volumens: Es spaltet das Rohöl in winzige Tropfen auf, die auf natürliche Weise von Bakterien vernichtet werden können. Eine Tonne dieses Mittels genügt also für zwanzig Tonnen Rohöl, und wir haben ungefähr tausend Tonnen auf Lager.«
»Also genug für einen Teppich aus zwanzigtausend Tonnen Rohöl«, stellte Sir Julian fest. »Und wenn es eine Million ist?«
»Dagegen sind wir machtlos! Selbst wenn wir die Produktion sofort anlaufen lassen, können wir doch bestenfalls nur alle vier Tage tausend Tonnen herstellen. Und für eine Million Tonnen Rohöl würden wir fünfzigtausend Tonnen Bindemittel brauchen. Diese Verrückten mit den schwarzen Masken sind, kraß formuliert, in der Lage, fast alles Leben in der Nordsee und im Kanal zu vernichten und alle Strände von Hull bis Falmouth auf unserer Seite und auf dem Kontinent von Jütland bis zur Bretagne zu verseuchen.«
Die anderen schwiegen betreten.
»Befassen wir uns also mit dem ersten Ölteppich«, schlug Sir Julian schließlich vor. »Alles andere sprengt ohnehin unsere Vorstellungskraft, fürchte ich.«
Der Krisenstab beschloß, noch in dieser Nacht die gesamten Bestände an Ölbindemittel von dem Lager in Hampshire an die Küste transportieren zu lassen. Das Energieministerium würde dafür sorgen, daß die großen Ölgesellschaften die benötigten Tankfahrzeuge in Marsch setzten, während gleichzeitig die mit Sprühgeräten ausgerüsteten Spezialschiffe, Londoner Feuerlöschboote und entsprechende Marineeinheiten in Lowestoft zusammengezogen werden sollten. Wenn alles
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