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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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deutsche Regierungschef blieb noch eine Minute lang nachdenklich vor dem Telefon sitzen, nachdem er aufgelegt hatte. Er wußte nicht, was hier vorging – aber es betraf jedenfalls zwei Häftlinge, die in seinem Verantwortungsbereich, im Westberliner Gefängnis Tegel, in Einzelhaft saßen. Falls ihnen etwas zustieß, würden sämtliche Medien und die Opposition über die Bundesregierung herfallen. Und da Landtagswahlen vor der Tür standen …
    Er rief als erstes seinen Justizminister an, der ebenfalls in der Bundeshauptstadt wohnte. Das Kabinett hatte sich darauf geeinigt, daß alle Minister übers Wochenende in Bonn bleiben würden. Der Justizminister war sofort mit dem Vorschlag des Bundeskanzlers einverstanden. Die Verlegung der beiden Häftlinge aus dem alten Gefängnis Tegel in das absolut sichere Gefängnis Moabit war eine selbstverständliche Vorsichtsmaßnahme. Dort waren sie vor CIA-Agenten sicher. Der Justizminister gab die entsprechende Anweisung sofort nach Berlin weiter.
    Es gibt bestimmte, scheinbar harmlose Redewendungen, mit denen der Chefentschlüßler der Britischen Botschaft in Moskau dem dortigen SIS-Residenten mitteilen kann: »Sie müssen so schnell wie möglich herkommen. London hat etwas Wichtiges für Sie.« Eine verschlüsselte Aufforderung dieser Art veranlaßte Adam Munro, um Mitternacht Moskauer Zeit – um 22   Uhr Greenwich-Zeit – aufzustehen und quer durch die Stadt zum Maurice-Thorez-Kai zu fahren.
    Auf dem Rückweg in sein Büro war Sir Nigel Irvine zu der Einsicht gekommen, daß die Premierministerin mit ihrem Verlangen völlig recht hatte. Gemessen an einer Annullierung des Dubliner Vertrags in letzter Minute oder der Zerstörung und Versenkung der Freya mitsamt ihrer Besatzung und Ladung war es das geringere Übel, einen russischen Agenten der Gefahr der Enttarnung auszusetzen. Was er von seinem Agenten in Moskau verlangen mußte und wie er es durchsetzen würde, machte ihm kein Vergnügen. Aber bevor er das SIS-Gebäude betrat, wußte er, daß ihm keine andere Wahl blieb.
    Die Nachrichtenzentrale hatte nur Routinemeldungen abzuwickeln, als Sir Nigel hereinkam und die Nachtschicht durch seine unangemeldete Ankunft verblüffte. Die mit einem Codiergerät gesicherte Fernschreibverbindung mit Moskau wurde innerhalb weniger Minuten hergestellt. Niemand bezweifelte, daß der Meister das Recht hatte, mitten in der Nacht mit seinem Moskauer Residenten Verbindung aufzunehmen. Eine halbe Stunde später meldete der Moskauer Fernschreiber, daß Munro eingetroffen sei und auf die Mitteilung aus London warte.
    Das Schlüsselpersonal in beiden Zentralen bestand aus erfahrenen, absolut zuverlässigen Leuten. Sie mußten zuverlässig sein, weil der Umgang mit Meldungen, über die Regierungen stürzen konnten, zu ihrer täglichen Routine gehörte. Von London aus ging der verschlüsselte Fernschreibtext zu einem Antennenwald bei Cheltenham, einem Ort, der eigentlich für seine Pferderennen und sein Mädchencollege bekannt ist, und wurde über das schlafende Europa hinweg einer Antenne auf dem Dach des Botschaftsgebäudes in Moskau zugefunkt. Vier Sekunden, nachdem die Worte in London getippt worden waren, erschienen sie im Klartext auf dem Fernschreiber im Keller der ehemaligen Residenz des alten Zuckerkönigs.
    Dort wandte sich der Entschlüßler an Munro, der neben ihm stand.
    »Der Meister persönlich«, sagte er, nachdem er die Codegruppe des Fernschreibens gesehen hatte. »Da brennt’s anscheinend.«
    Sir Nigel teilte Munro mit, welche Warnung Botschafter Kirow erst drei Stunden zuvor dem amerikanischen Präsidenten hatte zukommen lassen. Er mußte Munro darüber informieren, damit dieser der Nachtigall den Auftrag erteilen konnte, die Antwort auf Matthews’ Frage »Warum?« zu finden.
    Der Fernschreiber klapperte einige Minuten lang. Munro las den Text, der aus dem Ticker kam, mit wachsendem Entsetzen.
    »Das kann ich nicht tun«, erklärte er dem teilnahmslosen Entschlüßler, über dessen Schulter hinweg er das Fernschreiben las. Als es zu Ende war, wies er ihn an:
    »Antworten Sie folgendermaßen! ›Unmöglich, wiederhole, unmöglich, die gewünschten Informationen kurzfristig zu beschaffen.‹ Los, senden Sie’s schon!«
    Die Fernschreibdiskussion zwischen Sir Nigel Irvine und Adam Munro dauerte etwa eine Viertelstunde. Es gibt eine Möglichkeit, kurzfristig mit N. Verbindung aufzunehmen, stellte London fest. Ja, aber nur im äußersten Notfall, antwortete Munro. Dies ist ein

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