Des Teufels Alternative
und nervöser Magenschmerzen. Langsam ging er zu seinem Wagen.
Ludwig Jahn stand am offenen Tor des Gefängnisses Tegel und sah dem Konvoi von Polizeifahrzeugen nach, mit dem Mischkin und Lasareff abtransportiert wurden.
Anders als Munro brauchte er nicht länger zu warten und die Anspannung bis zum nächsten Morgen zu ertragen. Für ihn hatte das Warten ein Ende.
Er ging langsam in sein Büro im ersten Stock hinauf und schloß die Tür hinter sich. Nachdem er einige Sekunden lang am offenen Fenster gestanden hatte, holte er aus und warf die erste Gaspistole weit in die Nacht hinaus.
Ludwig Jahn war dick, ältlich und außer Form. Ein Herzschlag würde als mögliche Todesursache hingenommen werden, sofern nichts gefunden wurde, was auf einen Selbstmord deutete.
Jahn beugte sich weit aus dem Fenster, dachte an seine Nichten jenseits der Mauer in Ostberlin und an ihre lachenden Gesichter, als er ihnen vor vier Monaten seine Weihnachtsgeschenke mitgebracht hatte. Er schloß die Augen, hielt sich die zweite Röhre unter die Nase und drückte auf den Knopf.
Der Schmerz traf seine Brust wie ein Keulenschlag. Die Metallröhre fiel ihm aus den kraftlosen Fingern, schlug klirrend auf der Straße auf und blieb auf der Fahrbahn liegen. Jahn sackte zusammen, rutschte vom Fensterbrett ab und war bereits tot, als er den Fußboden seines Büros berührte. Wenn er gefunden wurde, mußte es so aussehen, als habe er beim ersten Anzeichen eines Herzanfalls das Fenster geöffnet. Kukuschkin würde seinen Triumph nicht auskosten können.
Die Glockenschläge, die Mitternacht verkündeten, gingen im Motorlärm eines Lastwagens unter, dessen Hinterreifen die Metallröhre auf der Fahrbahn bis zur Unkenntlichkeit zerquetschte.
Die Besetzung der Freya hatte ihr erstes Opfer gefordert.
Kapitel 15
24.00 bis 08.00 Uhr
Das Bonner Kabinett trat um 1 Uhr morgens erneut im Bundeskanzleramt zusammen. Die Minister reagierten mit einer Mischung aus Trotz und Verbitterung auf das Ersuchen aus Washington.
»Warum nennt er uns keinen Grund, verdammt noch mal?« fragte der Verteidigungsminister. »Traut er uns etwa nicht?«
»Der Präsident hat mir versichert, einen sehr wichtigen Grund für seine Bitte zu haben – den er mir jedoch nicht einmal persönlich über die Direktverbindung anvertrauen könne«, antwortete der Bundeskanzler. »Für uns gibt’s deshalb nur zwei Möglichkeiten: Wir können ihm glauben oder ihn als Lügner bezeichnen. Und letzteres zu tun, habe ich gegenwärtig keinen Anlaß.«
»Weiß er eigentlich, was die Terroristen tun werden, wenn Mischkin und Lasareff nicht bei Tagesanbruch freigelassen werden?« erkundigte sich ein anderer.
»Ja, das muß er wissen. Er kennt zumindest die Mitteilungen der ›Freya‹ an Maas Control. Die Terroristen haben bekanntlich damit gedroht, eine weiteren Mann der Besatzung zu erschießen oder zwanzigtausend Tonnen Rohöl ins Meer zu pumpen – oder beides zu tun.«
»Gut, dann überlassen wir doch ihm die Verantwortung«, drängte der Innenminister. »Warum sollen wir den Kopf hinhalten, falls es dazu kommt?«
»Das ist zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt«, korrigierte ihn der Regierungschef, »aber damit ist die eigentliche Frage noch immer nicht beantwortet. Erfüllen wir Präsident Matthews’ Bitte oder nicht?«
Die anderen schwiegen nachdenklich, bis der Außenminister die Stille brach.
»Wie lange sollen wir die Freilassung hinauszögern?«
»So lange wie möglich«, antwortete der Bundeskanzler. »Der Präsident scheint einen Plan zu verfolgen, mit dem er das gegenwärtig herrschende Patt aufheben und eine dritte Handlungsmöglichkeit erschließen will.
Aber worauf dieser Plan beruht und wie die Alternative aussehen könnte, weiß nur er allein. Er und die wenigen Leute, die er eingeweiht hat«, fügte er nicht ohne einen Anflug von Bitterkeit hinzu. »Und zu denen gehören wir im Augenblick nicht.«
»Na ja, ich persönlich finde, daß er unsere Freundschaft damit auf eine harte Probe stellt«, meinte der Außenminister, »aber ich bin dafür, daß wir ihm einen Aufschub gewähren und gleichzeitig zumindest inoffiziell durchsickern lassen, daß wir auf seinen Wunsch hin gehandelt haben.«
»Vielleicht will er die ›Freya‹ stürmen lassen«, sagte der Verteidigungsminister.
»Unsere eigenen Fachleute für derartige Unternehmen beurteilen ein solches Vorhaben als äußerst riskant«, antwortete der Innenminister. »Ein Befreiungskommando müßte zumindest die
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