Des Teufels Alternative
letzten drei Kilometer getaucht schwimmen, über senkrechte Stahlwände an Deck klettern, in die Aufbauten eindringen, ohne gesehen zu werden, und auf Anhieb die richtige Kabine mit dem Anführer der Terroristen finden. Falls der Mann die Fernzündung in der Hand hält, wie wir vermuten, müßte er erschossen werden, bevor er auf den Knopf drücken kann.«
»Jedenfalls ist es für einen Angriff in dieser Nacht schon zu spät«, stellte der Verteidigungsminister fest. »Dazu müßte es völlig dunkel sein, und das bedeutet mindestens zwanzig Stunden Wartezeit bis morgen abend einundzwanzig Uhr.«
Um 2 Uhr 45 beschloß die Bundesregierung endlich, Präsident Matthews’ Ersuchen stattzugeben. Die Freilassung der beiden Flugzeugentführer wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, aber das Kabinett behielt sich das Recht vor, die weitere Entwicklung kritisch zu beobachten und seine Entscheidung zu revidieren, falls die westeuropäischen Regierungen zu der Ansicht gelangen sollten, eine Fortsetzung der Haft Mischkins und Lasareffs sei nicht länger zu verantworten.
Gleichzeitig wurde der Regierungssprecher beauftragt, einigen Journalisten, mit denen er besonders gut zusammenarbeitete, im Vertrauen zu erklären, Bonn habe diese Kehrtwendung nur auf massiven Druck Washingtons hin vollzogen.
In Washington war es 22 Uhr, als Präsident Matthews die Nachricht aus Bonn erhielt. Er bedankte sich mit einem herzlichen Telegramm bei dem Bundeskanzler und fragte David Lawrence:
»Noch keine Antwort aus Jerusalem?«
»Nein«, antwortete der Außenminister. »Wir wissen nur, daß unser Botschafter von Benjamin Golen zu einer Unterredung empfangen wird.«
Als der israelische Ministerpräsident in dieser Sabbatnacht zum zweitenmal gestört wurde, war sein ohnehin dünner Geduldsfaden dem Reißen nahe. Er empfing den amerikanischen Botschafter im Morgenmantel und begrüßte ihn ausgesprochen frostig. In Europa war es 3 Uhr, in Israel bereits 5 Uhr morgens, und die ersten Sonnenstrahlen beleuchteten die Hügel von Judäa.
Golen hörte sich ausdruckslos an, was der Botschafter ihm von Präsident Matthews auszurichten hatte. Seine unausgesprochenen Befürchtungen galten der Identität der Terroristen an Bord der Freya. Seit seiner Jugend, als er selbst auf dem Boden seiner Heimat gekämpft hatte, war kein Terroranschlag mehr von Juden zur Befreiung anderer Juden aus Gefängniszellen verübt worden. Damals war es darum gegangen, verurteilte jüdische Partisanen aus einem britischen Gefängnis in Akka zu befreien, und Golen hatte sich daran beteiligt. Seitdem waren 35 Jahre vergangen, und die Dinge hatten sich verändert. Inzwischen gehörte Israel zu den Staaten, die Terroranschläge, Geiselnahmen und die Erpressung von Regierungen scharf verurteilten. Und trotzdem …
Und trotzdem würden Hunderttausende von Israelis insgeheim mit den beiden jungen Männern sympathisieren, die versucht hatten, auf die ihnen einzig mögliche Weise dem KGB-Terror zu entfliehen. Dieselben Leute – Wähler! – würden die Flugzeugentführer nicht offen als Helden bezeichnen, aber andererseits auch nicht als Mörder verurteilen. Was die maskierten Männer an Bord der Freya betraf, so konnten das ebenfalls Juden, möglicherweise sogar (was Gott verhüten möge!) Israelis sein. Golen hatte noch am Abend gehofft, der Fall werde innerhalb von 24 Stunden ausgestanden sein: die Berliner Häftlinge in Israel, die Terroristen gefangen oder tot. Und die Aufregung im In- und Ausland würde sich bald wieder legen.
Jetzt hörte er, daß unerwartete Schwierigkeiten aufgetreten seien und daß Mischkin und Lasareff nun doch nicht freigelassen werden sollten. Diese Nachricht war kaum dazu angetan, Golen dazu zu bewegen, dem amerikanischen Ersuchen nachzukommen, das ohnehin nicht akzeptabel war. Nachdem der Botschafter geendet hatte, schüttelte Golen den Kopf.
»Übermitteln Sie meinem guten Freund William Matthews bitte meine besten Wünsche für einen glücklichen Ausgang dieser leidigen Affäre, die hoffentlich keine weiteren Opfer mehr fordern wird«, erwiderte er. »Was jedoch Lasareff und Mischkin betrifft, so sieht meine Position folgendermaßen aus: Wenn ich mich im Namen der israelischen Regierung und des israelischen Volkes auf dringendes Ersuchen der Bonner Regierung hin öffentlich und feierlich verpflichtet habe, weder inhaftieren noch ausliefern zu lassen, muß ich mich an dieses Versprechen halten. Tut mir leid, aber ich kann mich
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