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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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in der Ära nach Breschnew. Der hagere, asketische, säuerliche Parteitheoretiker, Geißel der Dissidenten und Abweichler, Bewahrer der reinen Lehre, war ein Mann, der sich in pathologischem Haß gegen den kapitalistischen Westen verzehrte. Rudin war sich darüber im klaren, daß der Widerstand hauptsächlich von Wischnajew ausgehen würde. Neben ihm saß Marschall Nikolai Kerenski, der 63jährige Verteidigungsminister und Oberbefehlshaber der Roten Armee. Er ließ sich bei seinen Entscheidungen grundsätzlich von den Interessen der Roten Armee leiten.
    Zu den übrigen sieben gehörte Komarow, der für die Landwirtschaft zuständig war und jetzt blaß dahockte, weil er – wie Rudin und Iwanenko – ungefähr wußte, was kommen würde. Der KGB-Vorsitzende zeigte keine Regung, und die anderen waren ahnungslos.
    Es begann, als Rudin einem der Kreml-Prätorianer, die am anderen Ende des Raumes die Tür bewachten, ein Zeichen gab, den Mann hereinzulassen, der vor Angst zitternd im Vorzimmer wartete. »Ich möchte Ihnen Professor Iwan Iwanowitsch Jakowlew vorstellen, Genossen«, knurrte Rudin, als der Mann verschüchtert ans Tischende trat und mit seinem Bericht in den schweißnassen Händen darauf wartete, daß ihm das Wort erteilt wurde. »Professor Jakowlew ist unser führender Agronom und Getreidespezialist im Landwirtschaftsministerium, außerdem Mitglied der Akademie der Wissenschaften. Er wird uns einen Vortrag halten. Fangen Sie an, Genosse Professor.«
    Rudin, der Jakowlews Bericht einige Tage zuvor in der Abgeschiedenheit seines Arbeitszimmers gelesen hatte, lehnte sich zurück und starrte über den Professor hinweg die Zimmerdecke an. Iwanenko zündete sich bedächtig eine westliche Kingsize-Filterzigarette an. Komarow wischte sich den Schweiß von der Stirn und betrachtete dann seine Hände. Der Professor räusperte sich.
    »Genossen«, begann er zögernd. Keiner der Anwesenden hatte etwas gegen diese Anrede einzuwenden. Der Wissenschaftler holte tief Luft, starrte auf seine Unterlagen und begann mit seinem Bericht.
    »Im vergangenen Dezember und Januar ließen die Meßwerte unserer Wettersatelliten einen ungewöhnlich feuchten Winter und ein ebenso feuchtes Frühjahr erwarten. Aufgrund dieser Daten, gemäß anerkannter und bewährter wissenschaftlicher Methoden, wurde im Landwirtschaftsministerium entschieden, unser Saatgetreide für die Frühjahrsaussaat vorbeugend zu beizen, um Pilzinfektionen zu verhindern, die sonst wahrscheinlich wegen der hohen Feuchtigkeit aufgetreten wären. Dieses Verfahren ist schon oft angewendet worden.
    Die dafür ausgewählte Saatbeize bestand aus zwei Komponenten: einer quecksilberorganischen Verbindung, die Pilzerkrankungen am keimenden Getreide verhindert, und dem Pestizid ›Lindan‹, das gleichzeitig gegen Vogelfraß eingesetzt wird. Der wissenschaftliche Beirat war sich darüber einig, daß sechseinviertel Millionen Tonnen ausgesät werden mußten, weil die Sowjetunion wegen der starken Verluste durch Frostschäden im vergangenen Winter mindestens hundertvierzig Millionen Tonnen Sommergetreide benötigen würde.«
    Alle Augen waren jetzt auf Jakowlew gerichtet. Es herrschte absolute Stille. Komarow starrte bedrückt auf die Tischplatte. Er war für die Landwirtschaft verantwortlich. Immer wieder sah einer der anderen unauffällig zu ihm hinüber. Sie witterten Blut. Der Professor schluckte mühsam und fuhr fort:
    »Bei einem Verbrauch von fünfundfünfzig Gramm Beizmittel pro Tonne Saatgut lag der Gesamtbedarf an dieser Quecksilberverbindung bei rund dreihundertfünfzig Tonnen. Vorrätig waren jedoch nur siebzig Tonnen. Deshalb beauftragte man die Pflanzenschutzmittelfabrik in Kuibyschew, umgehend die erforderlichen zweihundertachtzig Tonnen der Beize herzustellen.«
    »Gibt es dafür nur eine Fabrik?« wollte Petrow wissen.
    »Ja, Genosse. Die benötigten Mengen rechtfertigen keine zweite. Die Fabrik in Kuibyschew ist ein großes chemisches Werk, das Insektizide, Unkrautvertilgungsmittel, Kunstdünger und so weiter herstellt. Für die Produktion von zweihundertachtzig Tonnen Beizmittel kann man normalerweise nicht ganz vierzig Stunden veranschlagen.«
    »Weiter!« befahl Rudin.
    »Ein bedauerlicher Zufall wollte es, daß in der Fabrik gerade die jährliche Überholung der maschinellen Anlagen durchgeführt wurde. Die Zeit wurde knapp. Das Beizmittel mußte an die hundertsiebenundzwanzig über die Sowjetunion verteilten Beizstationen geschickt werden, damit dort das

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